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Innovationen durch Deuten und Gestalten: Klöster im Mittelalter zwischen Jenseits und Welt — Klöster als Innovationslabore, Band 1: Regensburg: Schnell + Steiner, 2014

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Köpf, Ulrich: Annäherung an Gott im Kloster
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https://doi.org/10.11588/diglit.31468#0067
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66 | Ulrich Köpf
Voraussetzungen einer Annäherung an Gott
Annäherung an Gott setzt im Mönchtum herkömmlicherweise eine – primär räumliche
– Trennung von der »Welt« (saeculum) voraus, die zwar ursprünglich reine
Schöpfung Gottes war, aber seit dem Fall den Schauplatz eines Ringens unterschiedlicher,
ja gegensätzlicher Mächte um den Menschen bildet. Der Religiose ist zwar
durch seine monastische conversio von den Angehörigen dieser Welt (saeculares)
geschieden; aber er wird auch in seiner monastischen Existenz fortwährend durch
die feindlichen Mächte der »Welt«, des eigenen Fleisches und des Teufels angefochten.
¹⁴ Um sich wenigstens gegen äußere Einflüsse zu schützen, umgibt die religiöse
Gemeinschaft ihren Lebensbereich mit einer Trennwand, gewöhnlich einer Mauer,
die sie gegen Einflüsse von außen abschirmt, aber auch die einzelnen Mitglieder
an unerwünschten Kontakten mit der »Welt« oder gar am unerlaubten Verlassen
des Klosters hindert. ¹⁵ Nach der Benediktsregel soll sich alles Lebensnotwendige
(Wasser, Mühle, Garten, Werkstätten) nach Möglichkeit in dem abgegrenzten Klosterbezirk
befinden, sodass die Mönche sich nicht außerhalb dieses Bezirks aufhalten
müssen, was ihren Seelen nicht zuträglich wäre. ¹⁶ Der abgegrenzte Bereich des
Klosters (claustra monasterii) und das beständige Ausharren in der Gemeinschaft
(stabilitas in congregatione) bilden die Voraussetzungen, unter denen die Mönche
ihre Aufgabe erfüllen können. ¹⁷
Die Vorstellungen der Benediktsregel wie älterer Mönchsregeln vom idealen
monastischen Leben lassen sich am ehesten in Klöstern verwirklichen, die in einer
gewissen Ferne von menschlichen Ansiedlungen liegen. Die Nähe zur Stadt oder
gar die Lage in einer Stadt – in Rom, Konstantinopel und den übrigen alten Städten
des ehemaligen Römischen Reichs – schuf neben gewissen Vorteilen auch manche
Probleme, veränderte aber auf jeden Fall die Lebenssituation der Mönche. In den
vielen dünn besiedelten Gegenden des Frühmittelalters oder gar an den Rändern der
Zivilisation, etwa am Fuße der Alpen oder in den noch unbesiedelten europäischen
Mittelgebirgen, war es im Frühmittelalter tatsächlich noch möglich, Klöster in Distanz
zur bewohnten Welt zu gründen. Doch brachten die vielfältigen Verflechtun-
14 Vgl. z.B. Bernhard von Clairvaux, Sermones super Cantica Canticorum, in: Ders., Sämtliche Werke lateinisch/deutsch,
hg. von Gerhard Winkler, 10 Bde., Innsbruck 1990 –1999, Bd. 5 und 6, hier Bd. 5, sermo
1, cap. 9, S. 62, Z. 5 –7.
15 Regula Benedicti (wie Anm. 4), cap. 67, 6, S. 180.
16 Regula Benedicti (wie Anm. 4), cap. 66, 6 f., S. 178: Monasterium autem, si possit fieri, ita debet constitui,
ut omnia necessaria, id est aqua, molendinum, hortum vel artes diversas intra monasterium exerceantur,
ut non sit necessitas monachis vagandi foris, quia omnino non expedit animabus eorum.
17 Regula Benedicti (wie Anm. 4), cap. 4, 78, S. 76: Officina vero, ubi haec omnia diligenter operemur,
claustra sunt monasterii et stabilitas in congregatione.
 
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