304 | Stefan Burkhardt
Musste sich nicht die Auffassung der Mendikanten gegenüber Armut, Bettel
und Arbeit ändern, als sie neben der reinen Bußpredigt auch weitere Aufgaben –
Seelsorge, Armenfürsorge und Lehre – übernehmen sollten? Das Verbot des Umgangs
mit Geld war dann eigentlich nicht mehr aufrecht zu erhalten. ¹⁵ Bonaventura
rechtfertigte jedoch den Bettel gerade mit der Seelsorge. Mussten die Franziskaner
dann aber nicht ganz anders planen und das Vertrauen auf die Vorsehung durch
die Tugend der Providentia ersetzen? ¹⁶ Nach dem Tod von Franziskus und Klara
wurde – wie Leonard Lehmann formulierte – »aus der gelebten Armut immer mehr
eine gedachte, aus der gelobten immer mehr eine diskutierte und hinterfragte«. ¹⁷
Führte dieser Weg aber nicht zwangsläufig hinab zu Verwässerung und Dekadenz?
Oder sind diese oft vorgebrachten Vorwürfe nicht vielmehr eine Meistererzählung
protestantisch geprägter Kirchenhistoriker, denen das Gespür für die Feinheiten
des katholischen Kirchenrechtes und der Theologie fehlte?
Wirkungen des Kirchenrechts
Ein Aspekt scheint die beiden Beiträge zu verbinden, ja geradezu im Zentrum des
Themenkomplexes Armut, Bettel und Arbeit zu stehen: Die Gretchenfrage »Nun
sag, wie hast Du’s mit den Stiftungen«? Stiftungen als institutionalisierter Bettel waren
für die Mendikanten mit der Übernahme gesellschaftlicher Aufgaben lebensnotwendig
(man konnte also nicht einfach auf sie verzichten), Stiftungen gefährdeten
aber zugleich die eigenen Ideale. Der Stifter wollte nämlich auch Einfluss auf die
jeweiligen Stiftungen. ¹⁸ Darüber hinaus war und ist es schwierig, in einer differenzierten
Wirtschaft arm bleiben zu können. ¹⁹
15 Bernd Schmies, Gelobte und gelebte Armut. Mittelalterliche Minderbrüder zwischen Anspruch und
Wirklichkeit, in: Gelobte Armut. Armutskonzepte der franziskanischen Ordensfamilie vom Mittelalter
bis in die Gegenwart, hg. von Heinz-Dieter Heimann/Angelica Hilsebein/Bernd Schmies u. a.,
Paderborn/München/Wien u.a. 2012, S. 285 –305, hier S. 291 stellt fest: Die »Abkehr vom frühesten
Wanderapostolat einer offen verfassten, überschaubaren Gruppe gleichgesinnter Laien hin zu einer stationären,
kontinuierlichen und umfassenderen priesterlichen Seelsorge eines grenzenlos agierenden, regulierten
Ordensverbandes implizierte strukturelle Veränderungen für die Gemeinschaft, die nicht mit der
ursprünglich gelebten Armut in Übereinstimmung zu bringen waren«.
16 Lehmann, Arm an Dingen (wie Anm. 10), S. 50 f. mit Anm. 40. Mitunter zerfließen die Unterscheidungsmöglichkeiten
geradezu: Laut Thomas de Celano, Vita secunda S. Francisci, in: Legendae S. Francisci
Assisiensis saeculis XIII et XIV conscriptae (Analecta Franciscana 10), Quaracchi 1926 –1941, S.
127–268, hier cap. 47, 77, S. 177 sei »nach der Erbsünde […] alles zu Almosen geworden« (universa in
eleemosyum concessa sunt post peccatum).
17 Lehmann, Arm an Dingen (wie Anm. 10), S. 65.
18 Röhrkasten, Theorie (wie Anm. 6), S. 363 f.
19 Schmies, Gelobte und gelebte Armut (wie Anm. 15), S. 298. Den Franziskanern ging es aber häufig doch
nur um existenzsichernde Versorgung auf der Grundlage des von ihnen angebotenen seelsorgerischen
Musste sich nicht die Auffassung der Mendikanten gegenüber Armut, Bettel
und Arbeit ändern, als sie neben der reinen Bußpredigt auch weitere Aufgaben –
Seelsorge, Armenfürsorge und Lehre – übernehmen sollten? Das Verbot des Umgangs
mit Geld war dann eigentlich nicht mehr aufrecht zu erhalten. ¹⁵ Bonaventura
rechtfertigte jedoch den Bettel gerade mit der Seelsorge. Mussten die Franziskaner
dann aber nicht ganz anders planen und das Vertrauen auf die Vorsehung durch
die Tugend der Providentia ersetzen? ¹⁶ Nach dem Tod von Franziskus und Klara
wurde – wie Leonard Lehmann formulierte – »aus der gelebten Armut immer mehr
eine gedachte, aus der gelobten immer mehr eine diskutierte und hinterfragte«. ¹⁷
Führte dieser Weg aber nicht zwangsläufig hinab zu Verwässerung und Dekadenz?
Oder sind diese oft vorgebrachten Vorwürfe nicht vielmehr eine Meistererzählung
protestantisch geprägter Kirchenhistoriker, denen das Gespür für die Feinheiten
des katholischen Kirchenrechtes und der Theologie fehlte?
Wirkungen des Kirchenrechts
Ein Aspekt scheint die beiden Beiträge zu verbinden, ja geradezu im Zentrum des
Themenkomplexes Armut, Bettel und Arbeit zu stehen: Die Gretchenfrage »Nun
sag, wie hast Du’s mit den Stiftungen«? Stiftungen als institutionalisierter Bettel waren
für die Mendikanten mit der Übernahme gesellschaftlicher Aufgaben lebensnotwendig
(man konnte also nicht einfach auf sie verzichten), Stiftungen gefährdeten
aber zugleich die eigenen Ideale. Der Stifter wollte nämlich auch Einfluss auf die
jeweiligen Stiftungen. ¹⁸ Darüber hinaus war und ist es schwierig, in einer differenzierten
Wirtschaft arm bleiben zu können. ¹⁹
15 Bernd Schmies, Gelobte und gelebte Armut. Mittelalterliche Minderbrüder zwischen Anspruch und
Wirklichkeit, in: Gelobte Armut. Armutskonzepte der franziskanischen Ordensfamilie vom Mittelalter
bis in die Gegenwart, hg. von Heinz-Dieter Heimann/Angelica Hilsebein/Bernd Schmies u. a.,
Paderborn/München/Wien u.a. 2012, S. 285 –305, hier S. 291 stellt fest: Die »Abkehr vom frühesten
Wanderapostolat einer offen verfassten, überschaubaren Gruppe gleichgesinnter Laien hin zu einer stationären,
kontinuierlichen und umfassenderen priesterlichen Seelsorge eines grenzenlos agierenden, regulierten
Ordensverbandes implizierte strukturelle Veränderungen für die Gemeinschaft, die nicht mit der
ursprünglich gelebten Armut in Übereinstimmung zu bringen waren«.
16 Lehmann, Arm an Dingen (wie Anm. 10), S. 50 f. mit Anm. 40. Mitunter zerfließen die Unterscheidungsmöglichkeiten
geradezu: Laut Thomas de Celano, Vita secunda S. Francisci, in: Legendae S. Francisci
Assisiensis saeculis XIII et XIV conscriptae (Analecta Franciscana 10), Quaracchi 1926 –1941, S.
127–268, hier cap. 47, 77, S. 177 sei »nach der Erbsünde […] alles zu Almosen geworden« (universa in
eleemosyum concessa sunt post peccatum).
17 Lehmann, Arm an Dingen (wie Anm. 10), S. 65.
18 Röhrkasten, Theorie (wie Anm. 6), S. 363 f.
19 Schmies, Gelobte und gelebte Armut (wie Anm. 15), S. 298. Den Franziskanern ging es aber häufig doch
nur um existenzsichernde Versorgung auf der Grundlage des von ihnen angebotenen seelsorgerischen