Das byzantinische Süditalien 1 41
Treffen mit Nilos von Rossano), Stefan von Muret und Bruno von Köln12 reis-
ten alle zu irgendeinem Zeitpunkt nach Süditalien, sozusagen als „Grand Tour"
oder als unerlässliche Station eines Reformprozesses. Darüber hinaus werden
innovative Klostergründungen, die in Süditalien entstanden sind, als Produkt des
griechisch-monastischen Einflusses interpretiert, zum Beispiel der Orden von
Pulsano, der von Johannes von Matera gegründet wurde, oder die Reform von
Joachim von Fiore, auf die ich im Folgenden noch zurückkommen werde.
Aus zweierlei Hinsicht sind diese zahlreichen Belege jedoch kein Beweis für
einen Kausalzusammenhang zwischen der Präsenz griechischer Mönche und
der Innovation des westlichen Mönchtums. Erstens haben bisher alle Studien,
die sich ausführlich mit den monastischen Gründungen beschäftigt haben, die
durch die Berührung mit byzantinischen Mönchen entstanden sind, den tat-
sächlichen Einfluss des italienisch-griechischen Mönchtums meistens relativiert:
das hat unter anderem das Werk von Francesco Panarelli über den Orden von
Pulsano13 und meines über Bruno von Köln14 gezeigt. Der zweite Grund ist eher
struktureller Natur: der frühzeitig normative Charakter westlicher Bezüge zum
östlichen Mönchtum macht deutlich, dass der byzantinische Einfluss eher eine
unerlässliche Durchgangsstation im Reformdiskurs als eine echte Inspirations-
quelle war.
Die monastischen und religiösen Beziehungen zwischen Ost und West sind der
Ursprung einer charakteristischen Asymmetrie, die stereotypisch geworden ist:
seit den ersten asketischen Erfahrungen, die größtenteils in den Pars orientalis des
Römischen Reiches durchgeführt wurden (dabei denken wir natürlich an Anto-
nius den Großen, Pachomius, Sabas, Hilarion, Euthymius etc. - geographisch ge-
sehen beziehen wir uns auf Ägypten, Syrien, Palästina und Anatolien). Grund-
sätzlich gilt: der Osten gibt und der Westen empfängt. Diese monastische
Bringschuld wird durch den einseitigen Fluss an Übersetzungen von Kirchen-
geschichten, Vitae der heiligen Mönche und Texte der Kirchenväter quantitativ
11 Diese Begegnung ist in der Vita des Adalbert von Prag belegt, nicht jedoch in der Vita des hl.
Nilos. Adalbert reist zu Nilos und bittet ihn um Aufnahme in seine Gemeinschaft, aber die-
ser schickt Adalbert mit einem Empfehlungsschreiben ausgestattet nach Rom zum Abt des
Klosters S. Alessio auf dem Aventin, das mit lateinischen und griechischen Mönchen besie-
delt war. Jadwiga Karwasinska, Sancti Adalberti episcopi Pragensis et martyris Vita prior,
C. redactio Casinensis (Monumenta Poloniae Historica. Series Nova 4-1), Warschau 1962,
S. 69-84, hier S. 78.
12 Annick Peters-Custot, Bruno en Calabre. Histoire d'une fondation monastique dans
l'Italie normande: S. Maria de Turri et S. Stefano del Bosco (Collection de l'Ecole frangaise
de Rome 489), Rom 2014.
13 Francesco Panarelli, Dal Gargano alla Toscana: il monachesimo riformato latino dei Pul-
sanesi, secoli XII-XIV (Nuovi Studi Storici 38), Rom 1997, S. 44-54.
14 Peters-Custot, Bruno en Calabre (wie Anm. 12).
Treffen mit Nilos von Rossano), Stefan von Muret und Bruno von Köln12 reis-
ten alle zu irgendeinem Zeitpunkt nach Süditalien, sozusagen als „Grand Tour"
oder als unerlässliche Station eines Reformprozesses. Darüber hinaus werden
innovative Klostergründungen, die in Süditalien entstanden sind, als Produkt des
griechisch-monastischen Einflusses interpretiert, zum Beispiel der Orden von
Pulsano, der von Johannes von Matera gegründet wurde, oder die Reform von
Joachim von Fiore, auf die ich im Folgenden noch zurückkommen werde.
Aus zweierlei Hinsicht sind diese zahlreichen Belege jedoch kein Beweis für
einen Kausalzusammenhang zwischen der Präsenz griechischer Mönche und
der Innovation des westlichen Mönchtums. Erstens haben bisher alle Studien,
die sich ausführlich mit den monastischen Gründungen beschäftigt haben, die
durch die Berührung mit byzantinischen Mönchen entstanden sind, den tat-
sächlichen Einfluss des italienisch-griechischen Mönchtums meistens relativiert:
das hat unter anderem das Werk von Francesco Panarelli über den Orden von
Pulsano13 und meines über Bruno von Köln14 gezeigt. Der zweite Grund ist eher
struktureller Natur: der frühzeitig normative Charakter westlicher Bezüge zum
östlichen Mönchtum macht deutlich, dass der byzantinische Einfluss eher eine
unerlässliche Durchgangsstation im Reformdiskurs als eine echte Inspirations-
quelle war.
Die monastischen und religiösen Beziehungen zwischen Ost und West sind der
Ursprung einer charakteristischen Asymmetrie, die stereotypisch geworden ist:
seit den ersten asketischen Erfahrungen, die größtenteils in den Pars orientalis des
Römischen Reiches durchgeführt wurden (dabei denken wir natürlich an Anto-
nius den Großen, Pachomius, Sabas, Hilarion, Euthymius etc. - geographisch ge-
sehen beziehen wir uns auf Ägypten, Syrien, Palästina und Anatolien). Grund-
sätzlich gilt: der Osten gibt und der Westen empfängt. Diese monastische
Bringschuld wird durch den einseitigen Fluss an Übersetzungen von Kirchen-
geschichten, Vitae der heiligen Mönche und Texte der Kirchenväter quantitativ
11 Diese Begegnung ist in der Vita des Adalbert von Prag belegt, nicht jedoch in der Vita des hl.
Nilos. Adalbert reist zu Nilos und bittet ihn um Aufnahme in seine Gemeinschaft, aber die-
ser schickt Adalbert mit einem Empfehlungsschreiben ausgestattet nach Rom zum Abt des
Klosters S. Alessio auf dem Aventin, das mit lateinischen und griechischen Mönchen besie-
delt war. Jadwiga Karwasinska, Sancti Adalberti episcopi Pragensis et martyris Vita prior,
C. redactio Casinensis (Monumenta Poloniae Historica. Series Nova 4-1), Warschau 1962,
S. 69-84, hier S. 78.
12 Annick Peters-Custot, Bruno en Calabre. Histoire d'une fondation monastique dans
l'Italie normande: S. Maria de Turri et S. Stefano del Bosco (Collection de l'Ecole frangaise
de Rome 489), Rom 2014.
13 Francesco Panarelli, Dal Gargano alla Toscana: il monachesimo riformato latino dei Pul-
sanesi, secoli XII-XIV (Nuovi Studi Storici 38), Rom 1997, S. 44-54.
14 Peters-Custot, Bruno en Calabre (wie Anm. 12).