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Kreative Impulse. Innovations- und Transferleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa <Veranstaltung, 2019, Heidelberg>; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Kreative Impulse und Innovationsleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa — Klöster als Innovationslabore, Band 9: Regensburg: Schnell + Steiner, 2021

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https://doi.org/10.11588/diglit.72131#0089
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88 I Jens Röhrkasten

per regulam nisi ad ea, ad que vos obligastis in ipsa.43 Dies wurde von Inno-
zenz IV. in Ordinem oestrum 1245 sowie 1279 von Nikolaus III. in der Bulle
Exiit qui seminat bestätigt und mit größerem Detail ausgeführt.44 Ausgangs-
punkt sind jeweils der Beginn und der Schluss der Regula bullata, mit ihrer
Aussage, nach der die Fratres das Evangelium beachten müssen: sanctum Evan-
gelium observare. Dies sei, so die Bulle Exiit, nicht absolut gemeint, sondern
durch die Zusätze der Räte des Gehorsams, der Armut und der Keuschheit be-
reits modifiziert. Bereits in den Evangelien sei ja zwischen Vorschriften und
Ratschlägen unterschieden worden. Franziskus habe manche Ratschläge sub
verbis monitionis, exbortationis, et consilii, andere jedoch als Verbote festgelegt.
Daraus sei bereits ersichtlich, dass es gar nicht seine Absicht (intentio) gewesen
sein könne, die Brüder zur Beachtung der Ratschläge durch Vorschriften zu
zwingen. Eine ganz andere Interpretation erfolgte 1312 im Dekret Exivi de
paradiso des Konzils von Vienne. Zwar wird auch in dieser Entscheidung fest-
gelegt, dass nur die tatsächlich benannten Prinzipien evangelischer Lebensfüh-
rung zu befolgen seien, hier wird also den früheren Regelinterpretationen
gefolgt, doch es wird dann hinzugefügt, nicht nur die drei Prinzipien der Ar-
mut, der Keuschheit und des Gehorsams, sondern auch alle mit ihnen zusam-
menhängenden Grundsätze seien verbindlich: sed etiam tenentur ad ea omnia
implenda, quae sunt pertinentia ad baec tria praedicta.45 Dazu werden konkrete
Beispiele aus der Regel benannt, die die Mitsprache bei der Güterentäußerung
der Novizen, die Bekleidung, die öffentliche Predigt oder die Benutzung von
Pferden bei der Reise betreffen. Bemerkenswert ist nicht nur die Verschiebung
des Akzents, es geht nicht mehr um eine Legitimierung der Realität franziska-

43 Grundmann, Die Bulle ,Quo elongati' (wie Anm. 38), S. 21; Fidel Elizondo, Bullae ,Quo
elongati' Gregorii IX et ,Ordinem vestrum' Innocentii IV. De duabus primis regulae francis-
canae authenticis declarationibus, in: Laurentianum 3 (1962), S. 349-394, hier S. 359.

44 Bullarium Franciscanum, hg. von Sbaralea (wie Anm. 39), Bd. 2, S. 399-402, hier S. 400;
ebd., Bd. 3, S. 406-407; Fidel Elizondo, Bulla ,Exiit qui seminat' Nicolai III (14 Augusti
1279), in: Laurentianum 4 (1963), S. 59-119, hier S. 77-82, S. 89.

45 Corpus Iuris Canonici, 2 Bde., hg. von Aemilius Friedberg, Leipzig 1879-1881, Bd. 2,
Sp. 1194-1195. Conciliorum oecumenicorum decreta, hg. von Giuseppe Alberigo, Bologna
31973, S. 392-401; Ewald Müller, Das Konzil von Vienne 1311-1312. Seine Quellen und
seine Geschichte (Vorreformationsgeschichtliche Forschungen 12), Münster 1934, S. 238; Fi-
del Elizondo, De evangelii et regulae franciscanae obligatione usque ad bullam ,Exivi de
paradiso' Clementis V (6 Maii 1312), in: Laurentianum 2 (1961), S. 226-260, hier S. 228, S. 237;
Melanie Brunner, Nach dem Konzil von Vienne. Konfliktlösung und Entscheidungsfin-
dung in der Spiritualenkrise und im Armutsstreit, in: Ecclesia disputans. Die Konfliktpraxis
vormoderner Synoden zwischen Religion und Politik, hg. von Christoph DARTMANN/An-
dreas PiETSCH/Sita Steckel (Historische Zeitschrift, Beihefte N.F. 67), Berlin 2015, S. 203-
229; David Burr, Olivi and Franciscan Poverty. The Origins of the Usus Pauper Contro-
versy, Philadelphia 1989, S. 193.
 
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