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Kreative Impulse. Innovations- und Transferleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa <Veranstaltung, 2019, Heidelberg>; Burkhardt, Julia [Editor]
Kreative Impulse und Innovationsleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa — Klöster als Innovationslabore, Band 9: Regensburg: Schnell + Steiner, 2021

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https://doi.org/10.11588/diglit.72131#0245
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244 I Leonie Silberer

dessen wurden sie in Anpassung an die Gegebenheiten des Orts unterschiedlich
angelegt und hatten verschiedene Formen der Gesamtanlage. Bereits zuvor war
anhand von Quellen- und Baubefunden erkannt worden, dass bauliche Diversi-
tät für Bettelordensklöster geradezu ein ,Markenzeichen war. Größere Bedeu-
tung als die äußere Gestalt des Klosters hatte offenbar ihr Potenzial zur Beför-
derung der klösterlichen Ordnung.33 Die Schriften des Franziskaners David von
Augsburg zeichnen das Modell eines inneren und eines äußeren Hauses und
formulieren innere Einkehr und Kontemplation als Kernaufgabe der Brüder.
Die Nähe und die partielle Öffnung des Klosters für den Zutritt weltlicher Per-
sonen machte Rückzugsorte im Kloster auf besondere Weise notwendig.34 Fran-
ziskanerklöster konnten als ,Brüderhaus' angelegt sein, also alle wichtigen
Räume in einem Haus vereinen. In diesem Fall war auch kein umlaufender
Kreuzgang erforderlich. Von diesem Bautyp sind insgesamt nur wenige Bei-
spiele eindeutig belegbar. Die meisten für einen bescheidenen Klosteralltag voll
funktionsfähige Ostflügel mit Sakristei und Speiseraum im Erdgeschoss und
Dormitorium im Obergeschoss sind in der Ordensprovinz Saxonia nachweisbar
(Abb. 15).35
Wahrscheinlich war das „Brüderhaus" vor allem in der Frühzeit des Ordens
und in der Saxonia beliebt. Schließlich war dieser Bautyp nicht nur kleiner und
kostengünstiger als ,richtige' Klöster, man erkannte auch gleich auf den ersten
Blick, dass hier kein ,richtiges' Kloster erwünscht war. Wie bereits erwähnt,
hatte Jordan von Giano der Überlieferung zufolge 1225 in Erfurt ausdrücklich
„nur ein Haus am Fluss" und kein Kloster gewünscht.36 Hier wird der Verzicht
auf ein Kloster (clawstrum) in sprachlicher wie baulicher Konvergenz zum
Kreuzgang sowohl für die Brüder als auch in der Erscheinung nach außen gera-
dezu programmatisch sichtbar gemacht.
Die Anlage franziskanischer Klostergebäude um einen Kreuzgang ist häufig
anzutreffen.37 Rundum lagen im Ostflügel zwischen Chor und Sakristei die

33 Melville/Müller, Franziskanische Raumkonzepte (wie Anm. 11), S. 126, S. 129.

34 Konkret: die Zelle als Rückzugsort für die transzendentale Selbst- und Gotteserfahrung.
Melville/Müller, Franziskanische Raumkonzepte (wie Anm. 11), S. 132f. S. zu David von
Augsburg auch Mirko Breitenstein, Vier Arten des Gewissens. Spuren eines Ordnungs-
schemas vom Mittelalter bis in die Moderne (Klöster als Innovationslabore 4), Regensburg
2017, S. 98f. Online unter: https://digi.hadw-bw.de/view/kai4 (zuletzt abgerufen am
19.05.2020).

35 Beispielsweise die Konventsbauten in Salzwedel, Saalfeld, Zittau und Gransee sowie vermut-
lich in Erfurt. Silberer, Domus (wie Anm. 1), S. 49-54, S. 316; Untermann/Silberer, Die
Klosterbauten (wie Anm. 5), S. 186-188.

36 Zitat und Nachweis siehe Anm. 5.

37 Silberer, Domus (wie Anm. 1), S. 55-65, S. 316; vgl. für die Saxonia: Untermann/Silbe-
rer, Die Klosterbauten (wie Anm. 5).
 
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