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Kreative Impulse. Innovations- und Transferleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa <Veranstaltung, 2019, Heidelberg>; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Kreative Impulse und Innovationsleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa — Klöster als Innovationslabore, Band 9: Regensburg: Schnell + Steiner, 2021

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https://doi.org/10.11588/diglit.72131#0255
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254 I Leonie Silberer

dem hier regelmäßig vorhandenen Kapitelsaal und einem Arbeitsraum bzw. ei-
ner Konventsstube. Im kirchenparallelen Flügel lagen ein oder mehrere Spei-
seräume (oft: Sommer- und Winterrefektorium) sowie die Küche. Allerdings
sind in diesem Kreuzgang sowie im Kapitelsaal, der häufig zugleich Kapelle war,
vielfach Grablegen nachweisbar.45 Das heißt, die Klausur der Brüder erfuhr hier
aus praktischen Gründen eine räumliche wie zeitliche Einschränkung. Gründe
für die abweichende Anlage konnten bislang nicht rekonstruiert werden. Aller-
dings liegt der Gedanke an Vorgaben oder gar Konstitutionen auf Provinz-
ebene46 nahe, deren Überlieferung und Erschließung wichtige Anhaltspunkte
liefern könnten.
In der Außenwirkung legt dieser Befund für die doppelten Kreuzgänge ei-
nen äußerst wichtigen Rückschluss nahe: Die doppelten Kreuzgänge in der
Ordensprovinz Alemania müssen nicht nur für die Brüder selbst, sondern
auch für weltliche Gäste in bemerkenswerter Weise sichtbar gewesen sein. Be-
lege für eine große Bedeutung und ein hohes Bewusstsein im Orden für die
Sichtbarkeit von Bescheidenheit und Reduktion zeigen nicht nur die erwähn-
ten normativen Quellen zu Kirchen- und Klostergebäuden und zur erkennba-
ren und einheitlichen Kleidung der Brüder. Auch mehr oder weniger drasti-
sche Maßnahmen beim Verstoß gegen die Vorgabe bescheidener Klostergebäude
im Fall englischer Franziskanerklöster47zeugen von einem starken Bewusst-
sein der eigenen Sichtbarkeit und Wirkung auf Mitbrüder und Orden sowie in
die Welt. Wie sahen die Gäste das Kloster? Nicht zuletzt dürfte den weltlichen
Gästen auch in den Konventen die Vielfalt franziskanischer Klostergebäude
sichtbar vor Augen gestanden haben. Ob und wie sie wahrgenommen wurde,
bleibt noch zu erforschen.
So stehen am Ende diese Ausführung viele offene Fragen: Welche Gründe
gab es für die andersartige Anlage der doppelten Kreuzgänge - war sie an Vor-
gaben oder einfach an bestimmte Gewohnheiten geknüpft? Wie wurde der
Zugang für weltliche Personen zu den Klöstern praktisch geregelt? Gibt es
weitere Zeugnisse, wie sich weltliche Gäste zu verhalten hatten? Beeinflusste

45 Besonders augenscheinlich ist dies im Franziskanerkloster Regensburg, wo zahlreiche Grä-
ber belegt oder überliefert sind. Walburga Knorr, Bestattungen im Kloster am Beispiel Re-
gensburg und die Frage (öffentlicher) Zugänglichkeit, in: Die Klöster der Franziskaner (wie
Anm. 4), S. 165-187.

46 Für die untersuchten Provinzen sind mir keine erhaltenen Konstitutionen bekannt; für Hin-
weise auf mögliche Überlieferungen wäre ich ausgesprochen dankbar.

47 Margit Mersch, Programme, Pragmatisms, and Symbolism in Mendicant Architecture, in:
Self-Representation of Medieval Religious Communities. The British Isles in Context, hg.
von Anne MÜLLER/Karen Stöber (Vita Regularis 40), Berlin 2009, S. 143-166, hier S. 149f.
 
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