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Kreative Impulse. Innovations- und Transferleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa <Veranstaltung, 2019, Heidelberg>; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Kreative Impulse und Innovationsleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa — Klöster als Innovationslabore, Band 9: Regensburg: Schnell + Steiner, 2021

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https://doi.org/10.11588/diglit.72131#0351
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350 I Christina Lutter

lebens, denn selten wurde der Neubeginn, der ja tragendes Element jeder Re-
form ist, so vehement formuliert. Teils aufgrund der spezifischen historischen
Konstellation in den Parteiungen des „Investiturstreits" und der gleichzeitig an
Wirkmacht gewinnenden Kreuzzugs-Bewegung, teils aufgrund der deutlich bes-
seren Überlieferung im Vergleich mit geistlichen Reformen früherer Jahrhun-
derte scheint ihr Anspruch, grundlegend in die Welt hinein zu wirken, program-
matisch. Das hat besonders Stefan Weinfurter vielfach betont. Die offensive
„Funktionalisierung des Guten"23 für die gesamte Gesellschaft durch Rückbe-
sinnung auf die urchristliche vita apostolica, die hohe Kampfbereitschaft bei sei-
ner Durchsetzung nach dem Prinzip der militia Christi bewirkte, so Weinfurter,
eine enge Verschränkung geistlicher Reformen und politischen Handelns, cha-
rakterisiert von gemeinsamen Wertvorstellungen ihrer geistlichen und weltlichen
Träger und Förderer. Diese doppelte geistlich-moralische und politisch-ökono-
mische Klammer legte das Fundament einer wirkmächtigen Integration.24
Gleichzeitig bedeutete der Anspruch der vita apostolica - des Lebens nach dem
Evangelium - und die Bedeutung, die Laien dadurch praktisch und auch pro-
grammatisch erhielten, eine besondere pastorale Herausforderung. Sie resultierte
in einer Öffnung geistlicher Lebensformen für Menschen niedrigerer Herkunft
ebenso wie in einer grundsätzlich offeneren Haltung gegenüber Frauen in den
neuen geistlichen Bewegungen. Deren Vielfalt führte ihrerseits zu einer wach-
senden Konkurrenz zwischen den einzelnen Gruppen um jeweils noch strengere
Lebensformen und noch intensivere Bemühungen um die Seelsorge.25

23 Dazu Weinfurter, Reformidee (wie Anm. 12), S. 22 und Stefan Weinfurter, Funktiona-
lisierung und Gemeinschaftsmodell. Die Kanoniker in der Kirchenreform des 11. und
12. Jahrhunderts, in: Die Stiftskirche in Südwestdeutschland. Aufgaben und Perspektiven
der Forschung, hg. von Sönke LoRENz/Oliver Auge, Leinfelden 2003, S. 107-121; vgl. außer-
dem die bibliographischen Angaben in Anm. 10.

24 Weinfurter, Reformidee (wie Anm. 12), S. 25-26; vgl. außerdem Thomas Zotz, Milites
Christi: Ministerialität als Träger der Kanonikerreform, in: Reformidee und Reformpolitik im
spätsalisch-frühstaufischen Reich, hg. von Stefan WEINFURTER/Hubertus Seibert (Quellen
und Abhandlungen zur Mittelrheinischen Kirchengeschichte 68), Mainz 1992, S. 301-328.

25 Vgl. dazu besonders die Arbeiten von Klaus Schreiner, Gemeinsam leben. Spiritualität,
Lebens- und Verfassungsformen klösterlicher Gemeinschaften in Kirche und Gesellschaft
des Mittelalters, hg. von Mirko BREITENSTEIN/Gert Melville (Vita regularis. Abhandlun-
gen 53), Berlin 2013, hier v. a. den Beitrag Communio, ebd. S. 205-241; außerdem Klaus
Schreiner, Ein Herz und eine Seele: Eine urchristliche Lebensform und ihre Institutionali-
sierung im augustinisch geprägten Mönchtum des hohen und späten Mittelalters, in: Regula
Sancti Augustini. Normative Grundlage differenter Verbände im Mittelalter, hg. von Gert
MELVILLE/Anne Müller (Publikationen der Akademie der Augustiner-Chorherren von
Windesheim 3), Paring 2002, S. 1-47, sowie die grundlegende Studie von Caroline W. By-
num, Jesus as Mother: Studies in the Spirituality of the High Middle Ages (Publications of
the Center for Medieval and Renaissance Studies, UCLA 16), Berkeley 1982.
 
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