392 I Vanina Kopp
freisetzen, die einen Kreuzzug erlauben würden, die übliche fixe Idee des Cöles-
tiner-Mystikers. Ein Teil seiner Empfehlungen wurde auch tatsächlich umge-
setzt: die Hochzeit zwischen Richard II. und der französischen Prinzessin Isa-
bella befriedete zeitweise den Konflikt. Ob Philippe den beiden Königen
tatsächlich diesen matrimonialen Schachzug empfohlen hatte oder ob er in sei-
nem Traktat eher den Gerüchten am Hof und diplomatischen Verhandlungen
gefolgt war, sei dahingestellt.72
Andere Impulse: die Schriftstellerin und die Astrologen
Aus den vorherigen Absätzen wird schon deutlich, wie sich der Königshof und
die Regierungsarten im letzten Viertel des 14. Jahrhunderts änderten. Der Posi-
tion der Hochadeligen und höchsten geistlichen Würdenträger wurden neuere
Personen entgegengesetzt: Bürgerliche, Juristen, Erfahrene. Offensichtlich wa-
ren auch die Machtverhältnisse der Zeit komplexer geworden: Zumindest in
Frankreich hatten die Ritterschaft und althergebrachte militärische Taktiken zu
desaströsen Ergebnissen auf dem Schlachtfeld geführt; gezielte guerillataktik-
ähnliche Strategien des bretonischen Kleinadeligen Bertrand du Guesclin waren
erfolgreicher. Auch wurde die Verwaltung komplexer, zwischen religiösem
Schisma und juristischen Auseinandersetzungen mit dem englischen König ka-
men möglicherweise übliche Ratschläge und Konfliktlösungsstrategien an ihre
Grenzen, waren doch alle Protagonisten in ihnen mit unterschiedlichen Zielen
verstrickt. Dies eröffnete neuen Methoden den Weg zum Ausprobieren und ver-
half Personen mit „unüblichen" Profilen zum Zugang zum König, mit teilweise
innovativen beratenden Talenten.73
Neben den oben genannten theologischen Texten, die vor allem dazu dienten,
die „religion royale" herauszustellen und vor allem eine symbolische Bedeutung
hatten, war es die Übersetzung von Augustinus' De civitate Dei durch den bür-
gerlichen Juristen Raoul de Presles, die einen durchschlagenden Erfolg hatte.
Raoul de Presles, illegitimer Sohn eines bekannten Pariser Juristen, wurde für
72 Vgl. hierzu Anne Curry, War or Peace? Philippe de Mezieres, Richard II and Anglo-French
Diplomacy; in: Philippe de Mezieres and His Age (wie Anm. 8), S. 295-320; Alain Marchan-
disse, Philippe de Mezieres et son Epistre an roi Richart, in: Le Moyen Age 116 (2010),
S. 605-623.
73 Dass Beratung und Expertenwissen nicht nur in der Universität angesiedelt war, vgl. Frank
Rexroth, Systemvertrauen und Expertenskepsis. Die Utopie vom maßgeschneiderten Wis-
sen in den Kulturen des 12. bis 16. Jahrhunderts, in: Wissen, massgeschneidert: Experten und
Expertenkulturen im Europa der Vormoderne, hg. von Björn REICH/Frank REXROTH/Mat-
thias Roick, in: Historische Zeitschrift. Beiheft, München 2012, S. 12-44, bes. S. 26-33.
freisetzen, die einen Kreuzzug erlauben würden, die übliche fixe Idee des Cöles-
tiner-Mystikers. Ein Teil seiner Empfehlungen wurde auch tatsächlich umge-
setzt: die Hochzeit zwischen Richard II. und der französischen Prinzessin Isa-
bella befriedete zeitweise den Konflikt. Ob Philippe den beiden Königen
tatsächlich diesen matrimonialen Schachzug empfohlen hatte oder ob er in sei-
nem Traktat eher den Gerüchten am Hof und diplomatischen Verhandlungen
gefolgt war, sei dahingestellt.72
Andere Impulse: die Schriftstellerin und die Astrologen
Aus den vorherigen Absätzen wird schon deutlich, wie sich der Königshof und
die Regierungsarten im letzten Viertel des 14. Jahrhunderts änderten. Der Posi-
tion der Hochadeligen und höchsten geistlichen Würdenträger wurden neuere
Personen entgegengesetzt: Bürgerliche, Juristen, Erfahrene. Offensichtlich wa-
ren auch die Machtverhältnisse der Zeit komplexer geworden: Zumindest in
Frankreich hatten die Ritterschaft und althergebrachte militärische Taktiken zu
desaströsen Ergebnissen auf dem Schlachtfeld geführt; gezielte guerillataktik-
ähnliche Strategien des bretonischen Kleinadeligen Bertrand du Guesclin waren
erfolgreicher. Auch wurde die Verwaltung komplexer, zwischen religiösem
Schisma und juristischen Auseinandersetzungen mit dem englischen König ka-
men möglicherweise übliche Ratschläge und Konfliktlösungsstrategien an ihre
Grenzen, waren doch alle Protagonisten in ihnen mit unterschiedlichen Zielen
verstrickt. Dies eröffnete neuen Methoden den Weg zum Ausprobieren und ver-
half Personen mit „unüblichen" Profilen zum Zugang zum König, mit teilweise
innovativen beratenden Talenten.73
Neben den oben genannten theologischen Texten, die vor allem dazu dienten,
die „religion royale" herauszustellen und vor allem eine symbolische Bedeutung
hatten, war es die Übersetzung von Augustinus' De civitate Dei durch den bür-
gerlichen Juristen Raoul de Presles, die einen durchschlagenden Erfolg hatte.
Raoul de Presles, illegitimer Sohn eines bekannten Pariser Juristen, wurde für
72 Vgl. hierzu Anne Curry, War or Peace? Philippe de Mezieres, Richard II and Anglo-French
Diplomacy; in: Philippe de Mezieres and His Age (wie Anm. 8), S. 295-320; Alain Marchan-
disse, Philippe de Mezieres et son Epistre an roi Richart, in: Le Moyen Age 116 (2010),
S. 605-623.
73 Dass Beratung und Expertenwissen nicht nur in der Universität angesiedelt war, vgl. Frank
Rexroth, Systemvertrauen und Expertenskepsis. Die Utopie vom maßgeschneiderten Wis-
sen in den Kulturen des 12. bis 16. Jahrhunderts, in: Wissen, massgeschneidert: Experten und
Expertenkulturen im Europa der Vormoderne, hg. von Björn REICH/Frank REXROTH/Mat-
thias Roick, in: Historische Zeitschrift. Beiheft, München 2012, S. 12-44, bes. S. 26-33.