Überlegungen zu Wissenszugang und Selbstverständnis 1 427
Abb. 37 Hans Memling, Das Jüngste Gericht, ca. 1466-73, Gdansk, Muzeum Narodowe
vieles mehr. Wenn man sich die religiöse Literatur und besonders das weite Feld
der Bibelexegese anschaut, wirkt das literarische Schaffen der Mönche und Non-
nen tatsächlich wie der unermüdliche Versuch, diese Fragen zu beantworten, in
ein sinnstiftendes System zu bringen und damit begreifbar zu machen. Der die
Menschheit und alle Schöpfung umfassende ,Zeit-Raum' wurde dabei vor allem
als liturgischer Raum strukturiert und erfassbar gemacht und im liturgischen
Jahr revolvierend immer wieder durchmessen.41 Das Erfassen und die Struktu-
rierung der Zeit war ein sowohl philosophisch-religiöses als auch ganz prakti-
sches Problem der geistlichen Gemeinschaften, weshalb die Berechnung der be-
weglichen Feste, also des richtigen Ostertermins, ein zentrales Anliegen war.
Die Osterberechnung des Beda Venerabilis (f 735) anhand der Ostertafeln (auf-
bauend auf Dionysius Exiguus), fand europaweit Geltung, weil sie unabhängig
vom Ort und anderen Hilfsmitteln die gültige Errechnung des Osterfestes
41 Vgl. Margot Fassler, The Liturgical Framework of Time and the Representation of History,
in: Representing History 900-1300. Art, Music, History, hg. von Robert A Maxwe, Penn-
sylvania 2010, S. 149-172; Susan Boynton, Writing History with Liturgy, in: ebd., S. 187-
200; Hamburger u. a., Liturgical Life (wie Anm. 22), Bd. 1, S. 285-499.
Abb. 37 Hans Memling, Das Jüngste Gericht, ca. 1466-73, Gdansk, Muzeum Narodowe
vieles mehr. Wenn man sich die religiöse Literatur und besonders das weite Feld
der Bibelexegese anschaut, wirkt das literarische Schaffen der Mönche und Non-
nen tatsächlich wie der unermüdliche Versuch, diese Fragen zu beantworten, in
ein sinnstiftendes System zu bringen und damit begreifbar zu machen. Der die
Menschheit und alle Schöpfung umfassende ,Zeit-Raum' wurde dabei vor allem
als liturgischer Raum strukturiert und erfassbar gemacht und im liturgischen
Jahr revolvierend immer wieder durchmessen.41 Das Erfassen und die Struktu-
rierung der Zeit war ein sowohl philosophisch-religiöses als auch ganz prakti-
sches Problem der geistlichen Gemeinschaften, weshalb die Berechnung der be-
weglichen Feste, also des richtigen Ostertermins, ein zentrales Anliegen war.
Die Osterberechnung des Beda Venerabilis (f 735) anhand der Ostertafeln (auf-
bauend auf Dionysius Exiguus), fand europaweit Geltung, weil sie unabhängig
vom Ort und anderen Hilfsmitteln die gültige Errechnung des Osterfestes
41 Vgl. Margot Fassler, The Liturgical Framework of Time and the Representation of History,
in: Representing History 900-1300. Art, Music, History, hg. von Robert A Maxwe, Penn-
sylvania 2010, S. 149-172; Susan Boynton, Writing History with Liturgy, in: ebd., S. 187-
200; Hamburger u. a., Liturgical Life (wie Anm. 22), Bd. 1, S. 285-499.