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Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1,2): Kommentar zu Nietzsches "Unzeitgemässen Betrachtungen": I. David Strauss der Bekenner und der Schriftsteller, II. Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben — Berlin, Boston: de Gruyter, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.69926#0068
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42 David Strauss der Bekenner und der Schriftsteller

nen Takt“ attestiert hatte, sondern ihn im Gegenteil „von einer gewissen Tact-
losigkeit“ glaubte „nicht freisprechen“ zu können (Hillebrand, zitiert nach
Hauke Reich 2013, 304). - Ganz anders als später in EH formulierte N. seine
Einschätzung übrigens anderthalb Jahrzehnte früher, nämlich am 27. Septem-
ber 1873, in einem Brief an Carl von Gersdorff: „Übrigens ist der Zeitungs-Spuk
gross und fast unerträglich gewesen! [...] Dann Karl Hillebrand in der Augsbur-
gerin - höchst merkwürdig, doch so dass für mich fundamentale Differenzen
übrig geblieben sind, und ich im Ganzen Frau W. zustimme, wenn sie sagt ,K.
H. kennt die Franzosen besser als irgend ein Franzose, aber er kennt die Deut-
schen nicht mehr.“4 (KSB 4, Nr. 316, S. 161.)
Eine noch gravierendere nachträgliche Umdeutung und Verfälschung voll-
zieht N. in Ecce homo mit Bezug auf die umfangreiche Stellungnahme zu
UB I DS, die der Würzburger Philosophie-Professor Franz Hoffmann unter
dem Titel Zur Kritik von David Strauß zunächst im „Allgemeinen literarischen
Anzeiger für das evangelische Deutschland“ (Bd. 12, 1873, 321-336, 401-407)
und fünf Jahre später auch in Band 5 seiner Philosophischen Schriften publizier-
te (Hoffmann 1878, 410-447; abgedruckt in Hauke Reich 2013, 331-363). - N.
,referiert4 den Inhalt in Ecce homo mit ostentativem Selbstbewusstsein: „Das
Nachdenklichste, auch das Längste über die Schrift und ihren Autor [sc.
UB I DS und N.] wurde von einem alten Schüler des Philosophen von Baader
gesagt, einem Professor Hoffmann in Würzburg. Er sah aus der Schrift eine
grosse Bestimmung für mich voraus, - eine Art Krisis und höchste Entschei-
dung im Problem des Atheismus herbeizuführen, als dessen instinktivsten und
rücksichtslosesten Typus er mich errieth. Der Atheismus war das, was mich zu
Schopenhauer führte“ (KSA 6, 318, 2-9).
Damit suggeriert N. den Lesern, Franz Hoffmann habe anlässlich von
UB I DS eine geradezu euphorische Prophezeiung zu seinen Gunsten ausgespro-
chen. De facto teilt der Würzburger Philosophie-Professor allerdings weder die
Urteilsprämissen N.s noch seinen Schopenhauerianismus. Und er äußert sich
zudem keineswegs nur positiv über UB I DS, sondern übt auch entschieden Kri-
tik an N.s Schrift. Dass die Attacke auf Strauß’ ANG bei dem Baader-Schüler
Hoffmann grundsätzlich auf Zustimmung stößt, ist weitaus mehr durch dessen
christliche Überzeugungen bedingt als durch N.s Argumente gegen Strauß’ Al-
terswerk. Und keineswegs findet sich bei Hoffmann eine emphatische Aussage
im Indikativ, wie es N. in Ecce homo behauptet, wenn er die prognostizierte
„grosse Bestimmung für mich“ hervorhebt (KSA 6, 318, 5-6). Stattdessen for-
muliert Franz Hoffmann lediglich einen hypothetischen Konditionalsatz mit
abschwächendem Modalverb anstelle der von N. als definitiv beschriebenen
Prognose: „Wenn [...] das zürnende Niederdonnern des greisenhaft und matt
gewordenen Strauß nicht verflackerndes Strohfeuer ist, sondern von einem
 
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