Metadaten

Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1/2): Kommentar zu Nietzsches Unzeitgemässen Betrachtungen: I. David Strauss der Bekenner und der Schriftsteller, II. Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben — Berlin, Boston: De Gruyter, 2020

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69926#0088
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
62 David Strauss der Bekenner und der Schriftsteller

gonenwerk4“ (169). Vom Hass auf „den dominirenden Genius und die Tyrannis
wirklicher Kulturforderungen“ angetrieben (169), versuchen die Bildungsphi-
lister die frischen Kräfte „zu lähmen“ (169), um letztlich „alles beim Alten“
lassen zu können (170). Ganz „der Alltäglichkeit“ verhaftet (170), goutieren die
Bildungsphilister künstlerische Exzesse allenfalls als amüsante Zerstreuung,
die den bürgerlichen „Ernst des Lebens“ (170) indes nicht in Frage stellen darf.
Ihr banaler Kunstgeschmack ist daran zu erkennen, dass sie sich vorrangig
für „epigonenhafte Nachahmung“ der Wirklichkeit oder für „freie Copien“ der
„berühmtesten Werke der Klassiker“ interessieren (170-171).
Als paradigmatische Repräsentanten des Philister-Typus betrachtet N. „Da-
vid Strauss“ (171), den er in diesem Abschnitt zum ersten Mal namentlich
nennt, daneben aber auch den hegelianischen „Aesthetiker“ Vischer (171). Kri-
tisch beleuchtet N. sowohl Strauß’ Vorbehalte gegenüber dem angeblich „Un-
gesunden und Unerspriesslichen“ in Schopenhauers Philosophie (171) als auch
Vischers Perspektive auf Hölderlin (172). In seiner eigenen Epoche sieht N. die
„Periode der cynischen Philisterbekenntnisse“ angebrochen (173). Diese Attitü-
de will er im Folgenden anhand von Strauß’ „Bekenntnissbuch“ exemplarisch
attackieren (173).
3.
Im 3. Kapitel (173-177) beginnt N. seine Polemik gegen David Friedrich Strauß’
Abhandlung Der alte und der neue Glaube, indem er zunächst den Untertitel
Ein Bekenntniß spöttisch traktiert. Er begreift diesen Zusatz als programma-
tisch, weil er im Buch selbst eine „ununterbrochene Confession“ am Werke
sieht (174). Diese erscheint ihm als eine ebenso prätentiöse wie geistlose Selbst-
inszenierung (174-175). Für ridikül hält N. Strauß’ Intention, „den Katechismus
,der modernen Ideen4 zu schreiben“, um auf diese Weise eine „breite Welt-
strasse der Zukunft4 zu bauen“ (175). Nach N.s Ansicht ist das „Bekenntniss-
buch“ (173) vom Zynismus sowie von der Eitelkeit und maßlosen Selbstüber-
schätzung des Autors Strauß getragen, dessen banale Botschaften auch durch
den prätentiösen „Religionsstifter-Ton“ (176) und durch das suggerierte „Uni-
sono“ einer „Wir“-Gemeinschaft der Adressaten nicht an Substanz gewinnen
(175). N. prognostiziert dem Werk eine Wirkungslosigkeit, die in einem grotes-
ken Missverhältnis zum Zukunftsanspruch des „Religionsstifter[s]44 steht (176).
4.

Vom 4. Kapitel (177-184) an entfaltet sich N.s polemische Strategie in der Form
eines Frage-Antwort-Spiels, das er durch die folgenden Leitfragen strukturiert:
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften