Überblickskommentar, Kapitel 1.8: Struktur von UB I DS 69
die Entstehung „guter Schriftsteller“ (220). Denn das Fehlen einer einheitlichen
Norm leiste dem „naivsten Experimentiren mit der Sprache“ Vorschub und för-
dere dadurch den schon von Schopenhauer geschmähten „Lumpen-Jargon“
(220-221). Für die „Pseudo-Kultur des Bildungs-Philisters“ (221) ist laut N. ein
hybrider Anspruch auf Klassizität charakteristisch, der jene „Einheit des Stiles“
lediglich simuliert (221), die er selbst in seiner Definition des Kulturbegriffs ins
Zentrum stellt (163).
Die nur scheinbare Homogenität sprachlicher Äußerungen sieht N. durch
den omnipräsenten Journalismus wesentlich mitbedingt (222). Die Diktion der
Zeitungen trage durch Schnitzer aller Art maßgeblich dazu bei, die Sprache zu
korrumpieren. Dadurch beeinträchtige sie den ästhetischen „Geschmack“ der
Leser so weitgehend, dass Rhetorik und Stilistik ihre Orientierungsfunktion
verlieren (222-223). Dem „Philister“ als dem „allermodernsten Muster-Schrift-
steller“ (222) bescheinigt N. gravierende sprachliche Defizite. Er nimmt Anstoß
an lächerlichen Neologismen und Banalitäten, außerdem kritisiert er eine
„gänzlich verdrehte, verstiegene oder zerfaserte Syntax“ (222) und die zeitge-
nössische Vorliebe für moderne Bilder oder Gleichnisse um jeden Preis (223).
Diesen Tendenzen habe auch der Philister Strauß in ANG seinen Tribut gezollt
(223-224).
N. übt Kritik an einem Sprachstil, der das Exzentrische als vermeintlich
reizvolle „Pikanterie“ zu inszenieren versuche (222), aber durch „Geschmacklo-
sigkeiten und Geschraubtheiten“ (225), durch Katachresen, logische Brüche
und verstaubte „Curiositäten des Ausdrucks“ (226) oft unfreiwillig komisch
wirke. Dabei greift er auf konkretes Anschauungsmaterial aus Strauß’ ANG zu-
rück. Trotz aller Bemühungen des Philisters werde das „wahrhaft Produk-
tive“ nicht erreicht (222), das auch provozieren müsse: durch bewussten
Bruch mit dem Zeitgeschmack und durch die Sprengung konventioneller
Glätte.
Mit ausgewählten Textbeispielen aus Strauß’ ANG (224-225) versucht N.
die stilistische Heterogenität des Buches exemplarisch zu zeigen: den Wechsel
zwischen einem „burschikosen Geschwindmarsch“ und einer „Leichenträger-
Saumseligkeit“ (225). Auch durch didaktisch angelegte Gelehrsamkeit in ANG
sieht sich N. befremdet (224). Nach seiner Auffassung können nur diejenigen
Strauß als „Klassiker“ verkennen, die das Verhältnis von „Krankheit“ und „Ge-
sundheit“ umkehren und damit auch eine Inversion ästhetischer Werte vollzie-
hen (226).
die Entstehung „guter Schriftsteller“ (220). Denn das Fehlen einer einheitlichen
Norm leiste dem „naivsten Experimentiren mit der Sprache“ Vorschub und för-
dere dadurch den schon von Schopenhauer geschmähten „Lumpen-Jargon“
(220-221). Für die „Pseudo-Kultur des Bildungs-Philisters“ (221) ist laut N. ein
hybrider Anspruch auf Klassizität charakteristisch, der jene „Einheit des Stiles“
lediglich simuliert (221), die er selbst in seiner Definition des Kulturbegriffs ins
Zentrum stellt (163).
Die nur scheinbare Homogenität sprachlicher Äußerungen sieht N. durch
den omnipräsenten Journalismus wesentlich mitbedingt (222). Die Diktion der
Zeitungen trage durch Schnitzer aller Art maßgeblich dazu bei, die Sprache zu
korrumpieren. Dadurch beeinträchtige sie den ästhetischen „Geschmack“ der
Leser so weitgehend, dass Rhetorik und Stilistik ihre Orientierungsfunktion
verlieren (222-223). Dem „Philister“ als dem „allermodernsten Muster-Schrift-
steller“ (222) bescheinigt N. gravierende sprachliche Defizite. Er nimmt Anstoß
an lächerlichen Neologismen und Banalitäten, außerdem kritisiert er eine
„gänzlich verdrehte, verstiegene oder zerfaserte Syntax“ (222) und die zeitge-
nössische Vorliebe für moderne Bilder oder Gleichnisse um jeden Preis (223).
Diesen Tendenzen habe auch der Philister Strauß in ANG seinen Tribut gezollt
(223-224).
N. übt Kritik an einem Sprachstil, der das Exzentrische als vermeintlich
reizvolle „Pikanterie“ zu inszenieren versuche (222), aber durch „Geschmacklo-
sigkeiten und Geschraubtheiten“ (225), durch Katachresen, logische Brüche
und verstaubte „Curiositäten des Ausdrucks“ (226) oft unfreiwillig komisch
wirke. Dabei greift er auf konkretes Anschauungsmaterial aus Strauß’ ANG zu-
rück. Trotz aller Bemühungen des Philisters werde das „wahrhaft Produk-
tive“ nicht erreicht (222), das auch provozieren müsse: durch bewussten
Bruch mit dem Zeitgeschmack und durch die Sprengung konventioneller
Glätte.
Mit ausgewählten Textbeispielen aus Strauß’ ANG (224-225) versucht N.
die stilistische Heterogenität des Buches exemplarisch zu zeigen: den Wechsel
zwischen einem „burschikosen Geschwindmarsch“ und einer „Leichenträger-
Saumseligkeit“ (225). Auch durch didaktisch angelegte Gelehrsamkeit in ANG
sieht sich N. befremdet (224). Nach seiner Auffassung können nur diejenigen
Strauß als „Klassiker“ verkennen, die das Verhältnis von „Krankheit“ und „Ge-
sundheit“ umkehren und damit auch eine Inversion ästhetischer Werte vollzie-
hen (226).