80 David Strauss der Bekenner und der Schriftsteller
ren Theile der deutschen Gebildeten“ spricht (161, 32-33). Ihnen stellt er kurz
darauf den bornierten Habitus der „gelehrten Stände“ gegenüber (162, 4), die
eine „Sorge um die allgemeine deutsche Bildung“ nicht verstehen, weil sie
„mit dem höchsten Grade von Sicherheit überzeugt [sind], dass ihre eigene
Bildung die reifste und schönste Frucht der Zeit, ja aller Zeiten sei“ (162, 7-
10). Wenn N. in UB I DS also die bloße „Gebildetheit“ von genuiner „Bildung“
abgrenzt, steht zugleich auch seine Kritik am Gelehrtenstand im Fokus, die
sich durch seine eigene Abkehr vom Philologenberuf verschärfte und (vor al-
lem in UB III SE) zugleich von Schopenhauers Polemik gegen die Universitäts-
philosophie nachhaltig beeinflusst ist.
Die schon in UB I DS wesentliche Kritik am Habitus der Gelehrten, die den
Wert ihrer ,Gebildetheit4 erheblich überschätzen, führt N. in den folgenden Un-
zeitgemässen Betrachtungen fort. In UB III SE forciert er seine kritische Ausei-
nandersetzung mit dem Typus des Gelehrten als des Repräsentanten bloßer
,Gebildetheit4 bis zur Satire (vgl. KSA 1, 394, 20 - 400, 8). Unter Rückgriff auf
Überzeugungen Schopenhauers rückt N. im dortigen Argumentationskontext
die Opposition zwischen dem sterilen ,Gelehrten4 und dem kreativen ,Genius4
ins Zentrum (vgl. 399, 31 - 400, 8), den er durch seinen eigenen ,Erzieher4
Schopenhauer idealtypisch repräsentiert sieht. Im Rahmen zeitkritischer Kul-
turdiagnosen formuliert N. in UB III SE ein scharfes Verdikt über die bloße ,Ge-
bildetheit4 der Gelehrten, die er als Symptom einer pathologisch depravierten
Decadence-Epoche ansieht: „Ganz beglückte Zeiten brauchten den Gelehrten
nicht und kannten ihn nicht, ganz erkrankte und verdrossene Zeiten schätzten
ihn als den höchsten und würdigsten Menschen und gaben ihm den ersten
Rang“ (KSA 1, 400, 5-8). In einer anderen Textpartie von UB III SE forciert N.
die Differenz zwischen ,Bildung4 und ,Gebildetheit4 bis zum Antagonismus:
„Die gelehrten Stände sind nicht mehr Leuchtthürme oder Asyle inmitten aller
dieser Unruhe der Verweltlichung [...]. Alles dient der kommenden Barbarei,
die jetzige Kunst und Wissenschaft mit einbegriffen. Der Gebildete ist zum
grössten Feinde der Bildung abgeartet, denn er will die allgemeine Krankheit
weglügen und ist den Ärzten hinderlich“ (KSA 1, 366,14-20). Wenn der „Gebil-
dete“ in diesem Sinne sogar zum Bildungsfeind degeneriert und dadurch auch
die nach N.s Ansicht notwendigen kritisch-konstruktiven Kulturdiagnosen blo-
ckiert, beeinträchtigt er nachhaltig die kulturelle Entwicklung der Gesellschaft.
In der 1872 verfassten Vorrede für seine fünf Vorträge Ueber die Zukunft unserer
Bildungsanstalten plädiert N. dafür, „über die Zukunft unserer Bildung nachzu-
denken“ (KSA 1, 649, 16). In diesem Zusammenhang nimmt er für sich selbst
in Anspruch, „ein stark entzündetes Gefühl für das Spezifische unserer gegen-
wärtigen deutschen Barbarei“ zu besitzen (KSA 1, 650, 8-10).
In UB II HL führt N. die schon in UB I DS hervorgehobene begriffliche Op-
position von „Gebildetheit“ und „Bildung“ mit besonderer Akzentuierung der
ren Theile der deutschen Gebildeten“ spricht (161, 32-33). Ihnen stellt er kurz
darauf den bornierten Habitus der „gelehrten Stände“ gegenüber (162, 4), die
eine „Sorge um die allgemeine deutsche Bildung“ nicht verstehen, weil sie
„mit dem höchsten Grade von Sicherheit überzeugt [sind], dass ihre eigene
Bildung die reifste und schönste Frucht der Zeit, ja aller Zeiten sei“ (162, 7-
10). Wenn N. in UB I DS also die bloße „Gebildetheit“ von genuiner „Bildung“
abgrenzt, steht zugleich auch seine Kritik am Gelehrtenstand im Fokus, die
sich durch seine eigene Abkehr vom Philologenberuf verschärfte und (vor al-
lem in UB III SE) zugleich von Schopenhauers Polemik gegen die Universitäts-
philosophie nachhaltig beeinflusst ist.
Die schon in UB I DS wesentliche Kritik am Habitus der Gelehrten, die den
Wert ihrer ,Gebildetheit4 erheblich überschätzen, führt N. in den folgenden Un-
zeitgemässen Betrachtungen fort. In UB III SE forciert er seine kritische Ausei-
nandersetzung mit dem Typus des Gelehrten als des Repräsentanten bloßer
,Gebildetheit4 bis zur Satire (vgl. KSA 1, 394, 20 - 400, 8). Unter Rückgriff auf
Überzeugungen Schopenhauers rückt N. im dortigen Argumentationskontext
die Opposition zwischen dem sterilen ,Gelehrten4 und dem kreativen ,Genius4
ins Zentrum (vgl. 399, 31 - 400, 8), den er durch seinen eigenen ,Erzieher4
Schopenhauer idealtypisch repräsentiert sieht. Im Rahmen zeitkritischer Kul-
turdiagnosen formuliert N. in UB III SE ein scharfes Verdikt über die bloße ,Ge-
bildetheit4 der Gelehrten, die er als Symptom einer pathologisch depravierten
Decadence-Epoche ansieht: „Ganz beglückte Zeiten brauchten den Gelehrten
nicht und kannten ihn nicht, ganz erkrankte und verdrossene Zeiten schätzten
ihn als den höchsten und würdigsten Menschen und gaben ihm den ersten
Rang“ (KSA 1, 400, 5-8). In einer anderen Textpartie von UB III SE forciert N.
die Differenz zwischen ,Bildung4 und ,Gebildetheit4 bis zum Antagonismus:
„Die gelehrten Stände sind nicht mehr Leuchtthürme oder Asyle inmitten aller
dieser Unruhe der Verweltlichung [...]. Alles dient der kommenden Barbarei,
die jetzige Kunst und Wissenschaft mit einbegriffen. Der Gebildete ist zum
grössten Feinde der Bildung abgeartet, denn er will die allgemeine Krankheit
weglügen und ist den Ärzten hinderlich“ (KSA 1, 366,14-20). Wenn der „Gebil-
dete“ in diesem Sinne sogar zum Bildungsfeind degeneriert und dadurch auch
die nach N.s Ansicht notwendigen kritisch-konstruktiven Kulturdiagnosen blo-
ckiert, beeinträchtigt er nachhaltig die kulturelle Entwicklung der Gesellschaft.
In der 1872 verfassten Vorrede für seine fünf Vorträge Ueber die Zukunft unserer
Bildungsanstalten plädiert N. dafür, „über die Zukunft unserer Bildung nachzu-
denken“ (KSA 1, 649, 16). In diesem Zusammenhang nimmt er für sich selbst
in Anspruch, „ein stark entzündetes Gefühl für das Spezifische unserer gegen-
wärtigen deutschen Barbarei“ zu besitzen (KSA 1, 650, 8-10).
In UB II HL führt N. die schon in UB I DS hervorgehobene begriffliche Op-
position von „Gebildetheit“ und „Bildung“ mit besonderer Akzentuierung der