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Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1/2): Kommentar zu Nietzsches Unzeitgemässen Betrachtungen: I. David Strauss der Bekenner und der Schriftsteller, II. Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben — Berlin, Boston: De Gruyter, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.69926#0166
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140 David Strauss der Bekenner und der Schriftsteller

land“ publizierte (Bd. 12, 1873: S. 321-336, 401-407; Wiederabdruck in Hauke
Reich 2013, 331-363). - Franz Hoffmann versucht sogar einen Gottesbeweis zu
führen, indem er unter Rekurs auf diese Textpartie den Gedankengang in eine
andere Richtung lenkt (zitiert nach Reich 2013, 337-338):
„Wie aber, wenn man nun in ungefähr gleichem Tone sagt: Gott ist für den Atheisten ein
schöner Gedanke (sofern der Schopenhauerianer ihn zum Frühstück aufspeisen zu kön-
nen wähnt), der Geisteswurm aber kein schrecklicher für das allmächtige ewige Lebendi-
ge. Existirte Gott nicht, so existirte nichts, also auch nicht sein kindischer Traum, Gott
zernagen, zerwühlen, vernichten zu können. Nun aber könnte der Geisteswurm schon
daran, daß er existirt, merken, daß Gott existirt, da er genug erkennt, um zu wissen, daß
er nicht aus sich ist wie nichts Endliches aus sich ist. Wenn er nun doch Gott leugnet, so
kann sein Leugnen nur eine Selbstbelügung sein, deren Ursprung nicht aus der Vernunft
kommen kann. Wenn er selbst Gott sein könnte, würde er Gott nicht leugnen. Nun aber
er nicht Gott sein kann, soll nach seinem Wahnwillen Gott nicht sein, und quält er sich
tantalisch ab, sich seine Radicalüberzeugung von Gottes Existenz auszureden und hin-
wegzulügen, die doch nicht hinweggebracht werden kann, schon weil der Wahnwille
sonst nichts mehr zu leugnen und da sein ganzes Thun in der Wurzel im Leugnen besteht,
nichts mehr zu thun, nichts mehr zu leben, also auch nichts mehr zu sein hätte, weil es
ein unthätiges, todtes Sein nicht gibt. Die Unmacht seines Leugnens wird offenbar in
seiner Substituirung des dummen Dings Ansicht [sic] als blinden Willens. [...] Der Scho-
penhauersche Philister haust in den Werken Gottes wie ein Gewürm, welches lebt, indem
es zerstört, bewundert indem es frißt, anbetet, indem es verdaut“.
Zur ambivalenten Reaktion von Franz Hoffmann auf N.s UB I DS insgesamt vgl.
Kapitel 1.5 im Überblickskommentar zu UB I DS.
188, 16 Mameluken-Muthe]: Ursprünglich waren Mamelucken Militärsklaven
türkischer oder slawischer Herkunft, die für islamische Heere rekrutiert wur-
den. Seit dem 13. Jahrhundert existierten Herrscherdynastien der Mamelucken
in Ägypten und Syrien. Ihre Machtposition im Vorderen Orient verloren die
Mamelucken später an die Osmanen. Nicht nur im vorliegenden Kontext nimmt
N. auf den sprichwörtlich gewordenen Mut der Mamelucken Bezug. Nur wenig
später lässt N. die ironische Bemerkung folgen: Strauß „ist muthig wie ein Ma-
meluk und fürchtet weder den Teufel noch Schopenhauer“ (189, 31-32). Vgl.
dazu Schillers Romanze Der Kampf mit dem Drachen von 1798: „Mut zeiget
auch der Mameluck, / Gehorsam ist des Christen Schmuck“ (Schiller: FA, Bd. 1,
77).
188, 23-26 Selbst das alte und ehrwürdige Universum lässt er mit seinem Lobe
nicht unangetastet, als ob es erst durch dieses Lob geweiht werden müsste und
sich von jetzt ab allein um die Centralmonade Strauss schwingen dürfte.] Der
Begriff ,Monade4 (Einheit) geht auf die antike Mathematik von Euklid zurück.
N. spielt hier auf das philosophische Konzept an, das Gottfried Wilhelm Leib-
 
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