Metadaten

Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1/2): Kommentar zu Nietzsches Unzeitgemässen Betrachtungen: I. David Strauss der Bekenner und der Schriftsteller, II. Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben — Berlin, Boston: De Gruyter, 2020

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69926#0217
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Stellenkommentar UB I DS 9, KSA 1, S. 209-211 191

210, 31-34 er fragt, auf welcher Seite, ob auf der des alten Glaubens oder der
neueren Wissenschaft „der in menschlichen Dingen nicht zu vermeidenden Dun-
kelheiten und Unzulänglichkeiten mehrere sind.“] Zitat aus ANG 10, 28 - 11, 6:
„Eben daran aber, daß ich diese [sc. scheinbaren Widersprüche] nicht zu ver-
decken suche, mag der Prüfende die Redlichkeit meiner Absicht erkennen, und
durch eigenes Ueberdenken mag er sich selbst ein Urtheil darüber bilden, auf
welcher Seite, ob auf der des alten Glaubens oder der neueren Wissenschaft,
der in menschlichen Dingen nicht zu vermeidenden Dunkelheiten und Unzu-
länglichkeiten mehrere sind.“ - Vgl. Exzerpte aus ANG (KGW III5/1), S. 350.
211, 20-21 dieser exstimulirte Glaube] dieser forcierte Glaube.
211, 29-31 „wer hier sich nicht selbst zu helfen weiss, dem ist überhaupt nicht
zu helfen, der ist für unseren Standpunkt noch nicht reif“] Hier zitiert N. dieselbe
Stelle aus Strauß’ ANG, die er schon an früherer Stelle angeführt hatte (vgl.
180, 14-17). Beide Male bezieht er sich auf ANG 366, 5-10: „Über den Ersatz,
den unsre Weltanschauung für den kirchlichen Unsterblichkeitsglauben bietet,
wird man vielleicht die längste Ausführung von mir erwarten, sich aber mit
der kürzesten begnügen müssen. Wer hier sich nicht selbst zu helfen weiß,
dem ist überhaupt nicht zu helfen, der ist für unseren Standpunkt noch nicht
reif.“ - Auf Strauß’ Begriff von Weltanschauung4 greift N. auch in einem nach-
gelassenen Notat aus der Entstehungszeit von UB I DS zurück, indem er hier
kritisch konstatiert: „Das Bekenntniß ist eine Überschreitung seiner Gren-
ze: der Gelehrte ist zu Grunde gegangen, dadurch daß er Philosoph scheinen
wollte. Und doch ist nur ein magisterhaftes Wesen von Weltanschauung, un-
frei, ärmlich, bornirt, entstanden“ (NL 1873, TI [2], KSA 7, 588).
211, 31-33 Mit welcher Wucht der Ueberzeugung glaubte dagegen der antike
Stoiker an das All und an die Vernünftigkeit des Alls!] Mit dem Etikett „der antike
Stoiker“ bezeichnet N. summarisch die griechische, durch Zenon von Kition
(335-262 v. Chr.) begründete Philosophenschule der Stoa und die römischen
Stoiker, als deren Hauptvertreter der späte Cicero sowie Seneca, Epiktet und
Mark Aurel gelten. Mit der Naturphilosophie und Ethik der Stoiker war N. nicht
nur durch die stoischen Autoren selbst vertraut, sondern auch durch ein wich-
tiges philosophiehistorisches Kompendium der Antike, das in oft anekdoti-
scher Darstellung Lebensläufe antiker Philosophen präsentiert: durch das
Werk Leben und Meinungen berühmter Philosophen von Diogenes Laertius (ver-
mutlich 3. Jh. n. Chr.), von dem N. mehrere Ausgaben in seiner persönlichen
Bibliothek hatte (NPB 191-195). Zu einer durch Diogenes Laertius tradierten
philosophischen Anekdote, auf die N. selbst Bezug nimmt, vgl. NK 204, 26-
27. - Schon Jahre vor der Konzeption der Unzeitgemässen Betrachtungen publi-
zierte N. über Diogenes Laertius, und zwar die zweiteilige philologische Ab-
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften