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Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1/2): Kommentar zu Nietzsches Unzeitgemässen Betrachtungen: I. David Strauss der Bekenner und der Schriftsteller, II. Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben — Berlin, Boston: De Gruyter, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.69926#0259
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Stellenkommentar UB I DS 12, KSA 1, S. 230-231 233

S. 351. Der Hamburger Orientalist und aufgeklärte Popularphilosoph Hermann
Samuel Reimarus (1694-1768) adaptierte die Ideen der englischen Deisten (Lo-
cke, Toland, Tindal, Morgan u. a.) und versuchte sie mit einer historisch-kriti-
schen Bibelforschung zu verbinden. Bereits in den 1740er Jahren verfasste Rei-
marus eine umfangreiche Apologie oder Schutzschrift für die vernünftigen
Verehrer Gottes, die er zu seinen Lebzeiten aber nicht zu publizieren wagte.
Nach Reimarus’ Tod veröffentlichte Lessing, der während seiner Hamburger
Zeit mit der Familie Reimarus befreundet war, Teile aus diesem Werk - zum
Schutz der Familie allerdings ohne Nennung des Autornamens. In der Folge-
zeit wurde Lessing in eine heftige Auseinandersetzung mit orthodoxen Protes-
tanten involviert, die sich zur größten theologischen Kontroverse im Deutsch-
land des 18. Jahrhunderts auswuchs. Zu den Hintergründen von Lessings Streit
mit Goeze über die ,Reimarus-Fragmente‘ vgl. die ausführlichen Darlegungen
in NK 183,14 - 184, 5. Hermann Samuel Reimarus avancierte zum Wegbereiter
für die historisch-bibelkritische „Leben-Jesu-Forschung“, die in späterer Zeit
durch David Friedrich Strauß maßgeblich geprägt wurde. N. erwähnt Reimarus
namentlich im 12. Kapitel von UB I DS (231, 3). David Friedrich Strauß’ Erst-
lingswerk Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet (1835) weist Analogien zu Auffas-
sungen von Reimarus auf. Über ihn schrieb Strauß Jahrzehnte später das Buch
Hermann Samuel Reimarus und seine Schutzschrift für die vernünftigen Verehrer
Gottes, 1862 (nicht in NPB).
231, 9-10 „Nun stand es aber nur wenige Jahre an nach Schleier-
machers Tode, dass-“] Strauß erklärt in ANG (46, 11-15): „Nun stand
es aber nur wenige Jahre an nach Schleiermachers Tode, daß fürs Erste die
äußere Neu-Testamentliche Stütze seiner Christologie, das vermeintlich johan-
neische Evangelium, einem erneuerten kritischen Angriff unrettbar unterlag.“
Vgl. auch N.s Exzerpte aus ANG (KGW III5/1), S. 351.
231,15-20 „auch von allen den verschiedenen Schattirungen, in
denen das heutige Christenthum schillert, kann es sich bei uns
nur etwa um die äusserste, abgeklärteste handeln, ob wir uns
zu ihr noch zu bekennen vermögen“] Vgl. dazu Strauß’ ANG 13, 10-13
und N.s Exzerpte aus ANG (KGW III5/1), S. 356.
231, 31 - 232,1 „dabei wird es unbestimmt bleiben, ob es sich von
äusserem oder innerem Heldenthum, von Kämpfen auf offenem
Felde oder in den Tiefen der Menschenbrust handelt.“] Auf diese
Aussage aus Strauß’ ANG rekurriert N. in UB I DS bereits an früherer Stelle
(185, 16-17). - Im Hinblick auf die sogenannte Eroica, die Dritte Symphonie
(op. 55) von Ludwig van Beethoven, schreibt Strauß in ANG (358, 2-6): „Heroi-
sche Empfindungen und Stimmungen kann allerdings auch die wortlose Sym-
 
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