Stellenkommentar UB I DS 12, KSA 1, S. 234-235 237
dass „die Deutsche Sprache“ von selbstgefälligen Ignoranten der schreibenden
Zunft „zerfetzt, zerzaust und zerfleischt“ wird; anschließend folgt sein - von
N. teils wörtlich übernommenes - Monitum, man solle beachten, „daß die
Sprache ein von den Vorfahren überkommenes und den Nachkommen zu hin-
terlassendes Erbstück ist, welches man daher in Ehren halten und nicht muth-
willig antasten soll“ (Aus Arthur Schopenhauer’s handschriftlichem Nachlaß.
Abhandlungen, Anmerkungen, Aphorismen und Fragmente, 1864, 62). Vgl. er-
gänzend die Schopenhauer-Belege, zu denen N.s Sprachkritik deutliche Affini-
tät zeigt, in NK 227, 7-17.
In der Schlusspassage der genannten Materialien zu einer Abhandlung be-
gründet Schopenhauer seine sprachpädagogische Motivation, die bis zum Sen-
dungsbewusstsein reicht, folgendermaßen: „Ich bin weitläuftig gewesen und
habe geschulmeistert, wozu ich wahrlich mich nicht hergegeben haben würde,
wenn nicht die deutsche Sprache bedroht wäre: an nichts in Deutschland neh-
me ich großem Antheil, als an ihr: sie ist der einzige entschiedene Vorzug der
Deutschen vor andern Nationen [...]. Eine solche Sprache auf das Muthwilligste
und Hirnloseste mißhandeln und dilapidiren zu sehen von unwissenden Sud-
lern, Lohnschreibern, Buchhändlersöldlingen, Zeitungsberichtern und dem
ganzen Gelichter des Federviehs, ist mehr, als ich schweigend ertragen konnte
und durfte. Will die Nation nicht auf meine Stimme hören, sondern der Aukto-
rität und Praxis der eben angeführten folgen; so ist sie ihrer Sprache nicht
würdig gewesen“ (Aus Arthur Schopenhauer’s handschriftlichem Nachlaß. Ab-
handlungen, Anmerkungen, Aphorismen und Fragmente, 1864, 101).
Sprachpädagogische Appelle mit ähnlicher Grundtendenz wie in Schopen-
hauers nachgelassenen Materialien zu einer Abhandlung finden sich auch in
N.s nachgelassenen Vorträgen Ueber die Zukunft unserer Bildungsanstalten. Im
zweiten dieser Vorträge erklärt N., es sei die „Aufgabe“ einer ,,höhere[n] Bil-
dungsanstalt“, „auktoritativ und mit würdiger Strenge die sprachlich verwil-
derten Jünglinge zurecht zu leiten und ihnen zuzurufen: ,Nehmt eure Sprache
ernst! Wer es hier nicht zu dem Gefühl einer heiligen Pflicht bringt, in dem ist
auch nicht einmal der Keim für eine höhere Bildung vorhanden (KSA 1,
676,1-7). Aus dem Kontext geht hervor, dass N. mit seinem Plädoyer für Metho-
den „der sprachlichen Selbstzucht“ letztlich darauf zielt, „Wege zu einem ästhe-
tischen Urtheile“ zu ermöglichen (KSA 1, 684,15-17). Geleitet ist seine Perspek-
tive dabei von einer fundamentalen Skepsis im Hinblick auf die zeitgenössische
Gymnasialausbildung, die seines Erachtens durch Versäumnisse bei der sprach-
lichen Schulung der Gymnasiasten verantwortlich ist für die verbreitete Allianz
von „Gelehrsamkeit“ und „Barbarei des Geschmacks“ sowie von „Wissen-
schaft“ und „Journalistik“ (KSA 1, 685,12-14). Dieser Zusammenhang geht aus
N.s Fazit hervor: „In Summa: das Gymnasium versäumt bis jetzt das allererste
dass „die Deutsche Sprache“ von selbstgefälligen Ignoranten der schreibenden
Zunft „zerfetzt, zerzaust und zerfleischt“ wird; anschließend folgt sein - von
N. teils wörtlich übernommenes - Monitum, man solle beachten, „daß die
Sprache ein von den Vorfahren überkommenes und den Nachkommen zu hin-
terlassendes Erbstück ist, welches man daher in Ehren halten und nicht muth-
willig antasten soll“ (Aus Arthur Schopenhauer’s handschriftlichem Nachlaß.
Abhandlungen, Anmerkungen, Aphorismen und Fragmente, 1864, 62). Vgl. er-
gänzend die Schopenhauer-Belege, zu denen N.s Sprachkritik deutliche Affini-
tät zeigt, in NK 227, 7-17.
In der Schlusspassage der genannten Materialien zu einer Abhandlung be-
gründet Schopenhauer seine sprachpädagogische Motivation, die bis zum Sen-
dungsbewusstsein reicht, folgendermaßen: „Ich bin weitläuftig gewesen und
habe geschulmeistert, wozu ich wahrlich mich nicht hergegeben haben würde,
wenn nicht die deutsche Sprache bedroht wäre: an nichts in Deutschland neh-
me ich großem Antheil, als an ihr: sie ist der einzige entschiedene Vorzug der
Deutschen vor andern Nationen [...]. Eine solche Sprache auf das Muthwilligste
und Hirnloseste mißhandeln und dilapidiren zu sehen von unwissenden Sud-
lern, Lohnschreibern, Buchhändlersöldlingen, Zeitungsberichtern und dem
ganzen Gelichter des Federviehs, ist mehr, als ich schweigend ertragen konnte
und durfte. Will die Nation nicht auf meine Stimme hören, sondern der Aukto-
rität und Praxis der eben angeführten folgen; so ist sie ihrer Sprache nicht
würdig gewesen“ (Aus Arthur Schopenhauer’s handschriftlichem Nachlaß. Ab-
handlungen, Anmerkungen, Aphorismen und Fragmente, 1864, 101).
Sprachpädagogische Appelle mit ähnlicher Grundtendenz wie in Schopen-
hauers nachgelassenen Materialien zu einer Abhandlung finden sich auch in
N.s nachgelassenen Vorträgen Ueber die Zukunft unserer Bildungsanstalten. Im
zweiten dieser Vorträge erklärt N., es sei die „Aufgabe“ einer ,,höhere[n] Bil-
dungsanstalt“, „auktoritativ und mit würdiger Strenge die sprachlich verwil-
derten Jünglinge zurecht zu leiten und ihnen zuzurufen: ,Nehmt eure Sprache
ernst! Wer es hier nicht zu dem Gefühl einer heiligen Pflicht bringt, in dem ist
auch nicht einmal der Keim für eine höhere Bildung vorhanden (KSA 1,
676,1-7). Aus dem Kontext geht hervor, dass N. mit seinem Plädoyer für Metho-
den „der sprachlichen Selbstzucht“ letztlich darauf zielt, „Wege zu einem ästhe-
tischen Urtheile“ zu ermöglichen (KSA 1, 684,15-17). Geleitet ist seine Perspek-
tive dabei von einer fundamentalen Skepsis im Hinblick auf die zeitgenössische
Gymnasialausbildung, die seines Erachtens durch Versäumnisse bei der sprach-
lichen Schulung der Gymnasiasten verantwortlich ist für die verbreitete Allianz
von „Gelehrsamkeit“ und „Barbarei des Geschmacks“ sowie von „Wissen-
schaft“ und „Journalistik“ (KSA 1, 685,12-14). Dieser Zusammenhang geht aus
N.s Fazit hervor: „In Summa: das Gymnasium versäumt bis jetzt das allererste