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Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1/2): Kommentar zu Nietzsches Unzeitgemässen Betrachtungen: I. David Strauss der Bekenner und der Schriftsteller, II. Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben — Berlin, Boston: De Gruyter, 2020

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69926#0271
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Stellenkommentar UB I DS 12, KSA 1, S. 238-240 245

genden Kontext auf die vegetabilische Bildlichkeit an, die Hegel in der Vorrede
zur Phänomenologie des Geistes verwendet, um das Verhältnis zwischen unter-
schiedlichen philosophischen Konzepten veranschaulichend zu reflektieren.
Hier schreibt Hegel: „So fest der Meinung der Gegensatz des Wahren und des
Falschen wird, so pflegt sie auch entweder Beistimmung oder Widerspruch ge-
gen ein vorhandenes philosophisches System zu erwarten und in einer Erklä-
rung über ein solches nur entweder das eine oder das andere zu sehen. Sie
begreift die Verschiedenheit philosophischer Systeme nicht so sehr als die fort-
schreitende Entwicklung der Wahrheit, als sie in der Verschiedenheit nur den
Widerspruch sieht. Die Knospe verschwindet in dem Hervorbrechen der Blüte,
und man könnte sagen, daß jene von dieser widerlegt wird; ebenso wird durch
die Frucht die Blüte für ein falsches Dasein der Pflanze erklärt, und als ihre
Wahrheit tritt jene an die Stelle von dieser. Diese Formen unterscheiden sich
nicht nur, sondern verdrängen sich auch als unverträglich miteinander. Aber
ihre flüssige Natur macht sie zugleich zu Momenten der organischen Einheit,
worin sie sich nicht nur nicht Widerstreiten, sondern eins so notwendig als das
andere ist, und diese gleiche Notwendigkeit macht erst das Leben des Ganzen
aus. Aber der Widerspruch gegen ein philosophisches System pflegt teils sich
selbst nicht auf diese Weise zu begreifen, teils auch weiß das auffassende Be-
wußtsein gemeinhin nicht, ihn von seiner Einseitigkeit zu befreien oder frei
zu erhalten und in der Gestalt des streitend und sich zuwider Scheinenden
gegenseitig notwendige Momente zu erkennen“ (G. W. F. Hegel: Werke in
20 Bänden, 1986, Bd. 3, 12). Die Analogie zwischen philosophischer Reflexion
und naturalen Entwicklungsprozessen erhellt in Hegels Phänomenologie des
Geistes wenig später aus der These: „die Sache ist nicht in ihrem Zwecke er-
schöpft, sondern in ihrer Ausführung, noch ist das Resultat das wirkliche Ganze,
sondern es zusammen mit seinem Werden“ (ebd., 13).
240, 12-14 wir sehen Beethoven wie ein Pferd (S.356) „über den Strang
schlagen“] Vgl. dazu Strauß’ ANG (356, 17-21): „Nämlich allemal über zwei
Symphonien hielt es Beethoven aus, bei aller Weiterbildung im Einzelnen,
doch im Allgemeinen sich der hergebrachten Art zu fügen; jedesmal bei der
dritten aber drängte es ihn, über den Strang zu schlagen und ein Abenteuer zu
suchen.“ - Vgl. N.s Exzerpte aus ANG (KGWIII5/1), S. 355. In einer früheren
Textpartie von UB I DS bezieht sich N. ebenfalls kritisch auf diese Aussage von
Strauß über Beethoven: „wie wir erfahren, drängte es ihn, ,über den Strang zu
schlagen und ein Abenteuer zu suchen4, woraus wir fast auf ein Doppelwesen,
halb Pferd, halb Ritter, rathen dürften“ (185, 11-14).
240,14 „frisch beschlagene Strasse“] Vgl. dazu Strauß’ ANG 367, 8-12
und N.s Exzerpte aus ANG (KGW III5/1), S. 356. Die von Strauß in ANG (367,
 
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