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Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1/2): Kommentar zu Nietzsches Unzeitgemässen Betrachtungen: I. David Strauss der Bekenner und der Schriftsteller, II. Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben — Berlin, Boston: De Gruyter, 2020

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69926#0516
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490 Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben

historischen Horizont der Gerichtsthematik in UBII HL vgl. auch NK 287, 1;
NK 304,10-13; NK 308,19-26 sowie die Darlegungen im Überblickskommentar.
Vgl. ergänzend den gedanklichen Horizont biblischer Vorstellungen vom Jüng-
sten Gericht sowie Konzepte der antiken Philosophie zum reinigenden Akt des
Verbrennens in UB IIISE: vgl. dazu NK 410, 22-25 (unter Rekurs auf Lehren
Heraklits und der Stoiker).
287,1 Wahrheit mit einem Worte als Weltgericht] Die Vorstellung des ,Weltge-
richts4 integriert N. auch in spätere Passagen seiner Historienschrift, und zwar
mit anderer Kontextualisierung: Während er die Idee eines ,Weltgerichts4 im
Umfeld von 304,10 als theologischen Topos charakterisiert, stellt er im Kontext
von 308, 23 Bezüge zur Philosophie Hegels her. - Parallelstellen aus der Bibel
verzeichnet NK 304, 10-13, Affinitäten zu Hegel NK 308, 19-26.
In Schillers Gedicht Resignation spielt eine Korrelation zwischen „Wahr-
heit“ und „Weltgericht“, die auch N. im vorliegenden Textzusammenhang be-
tont, eine zentrale Rolle: Hier identifiziert das lyrische Ich, das am Ende seines
freudlosen Lebens völlig desillusioniert Anklage gegen ein „Götterkind“ na-
mens „Wahrheit“ und gegen seine falschen Versprechungen erhebt, die
„Weltgeschichte“ in aufschlussreicher Weise mit dem „Weltgericht“. Nachdem
in der vorangegangenen Strophe „ein Genius“ den „Menschenkinder [n]“ „zwei
Blumen“ in Aussicht gestellt hat, nämlich „Hoffnung und Genuss“, lautet
die anschließende 17. Strophe folgendermaßen (Schiller: FA, Bd. 1, 171):
„Wer dieser Blumen Eine brach, begehre
Die andre Schwester nicht.
Genieße wer nicht glauben kann. Die Lehre
Ist ewig wie die Welt. Wer glauben kann, entbehre.
Die Weltgeschichte ist das Weltgericht.“
Und mit der diagnostischen Schärfe eines desillusionierten Blicks lässt Schiller
sein Gedicht Resignation dann in dem zynischen Urteilsspruch kulminieren:
„Du hast gehofft, dein Lohn ist abgetragen, / Dein Glaube war dein zuge-
wognes Glück [...]“. - Außer Schiller korreliert auch Hegel „Weltgeschichte“ in
aufschlussreicher Weise mit dem „Weltgericht“. Zu weiteren kulturhistorischen
Vernetzungen der Gerichtsthematik in UB II HL vgl. auch NK 286, 13-14;
NK 304, 10-13; NK 308, 19-26. Vgl. zu UB III SE in diesem Kontext: NK 410, 22-
25 (mit Bezug zu biblischen Vorstellungen und zur antiken Philosophie).
287, 5-10 während vor dem stumpferen Auge eine ganze Anzahl der verschie-
denartigsten Triebe wie Neugier, Furcht vor der Langeweile, Missgunst, Eitelkeit,
Spieltrieb, Triebe die gar nichts mit der Wahrheit zu thun haben, mit jenem Stre-
ben nach Wahrheit, das seine Wurzel in der Gerechtigkeit hat, zusammenfliessen]
 
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