Stellenkommentar UB II HL 9, KSA 1, S. 317 555
nächst individualistisch ausgerichteten Geistesaristokratismus tritt hervor,
wenn Scheier im Abschnitt „Übermensch und Allmensch“ für die Förderung
von „höchsten Exemplaren“ nicht im Sinne eines individualistischen „Selbst-
zweck[s]“ argumentiert, sondern im Sinne dessen, was „,für‘ die Menschheit
das schlechthin ,beste4 ist“ (B.L22). Damit folgt Scheier N.s These in UB II HL:
Das „Ziel der Menschheit kann [...] nur in ihren höchsten Exemplaren“ liegen
(317, 24-26).
317, 29 - 318, 6 „So wenig es sich mit dem Begriffe der Entwickelung vertragen
würde, dem Weltprozess eine unendliche Dauer in der Vergangenheit zuzuschrei-
ben [...] so wenig können wir dem Prozesse eine unendliche Dauer für die Zukunft
zugestehen; Beides höbe den Begriff der Entwickelung zu einem Ziele auf [...]
und stellte den Weltprozess dem Wasserschöpfen der Danaiden gleich. Der voll-
endete Sieg des Logischen [...] muss aber mit dem zeitlichen Ende des Weltpro-
zesses, dem jüngsten Tage, zusammenfallen“] N. zitiert hier aus der Philosophie
des Unbewußten von Eduard von Hartmann (637), der das „Wasserschöpfen der
Danaiden“ als gleichnishaftes Bild für die Sinnlosigkeit des „Weltprozesses“
inszeniert und damit auf die Geschichte der Danaiden anspielt: Nach erzwun-
gener Eheschließung ermordeten die fünfzig Töchter des Danaos, die dieser
insgeheim mit Dolchen ausgestattet hatte, auf seinen Befehl hin in der Hoch-
zeitsnacht ihre Männer. Dem Massaker fielen neunundvierzig von den fünfzig
Söhnen des Aigyptos zum Opfer, der in der Vorgeschichte mit seinem Bruder
Danaos in einen Machtkampf geraten war. Einer Version des Mythos zufolge
wurden die Danaiden im Hades dazu verurteilt, ständig Wasser in ein durchlö-
chertes Fass zu schöpfen. Bereits in der Antike galt diese aporetische Konstella-
tion als Paradigma jeder vergeblichen Arbeit.
Schopenhauer gebraucht die Metapher vom Sieb bzw. Fass der Danaiden
mehrfach, um den unendlichen Prozess des voluntativen Strebens zu charakte-
risieren, in dem Bedürfnisse immer nur vorübergehend, nie endgültig befrie-
digt werden können: vgl. WWV I, § 38, Hü 231; § 57, Hü 376; § 65, Hü 428. In
der Welt als Wille und Vorstellung I erklärt Schopenhauer: „die Sorge für den
stets fordernden Willen, gleichviel in welcher Gestalt, erfüllt und bewegt fort-
dauernd das Bewußtseyn; ohne Ruhe aber ist durchaus kein wahres Wohlseyn
möglich. So liegt das Subjekt des Wollens beständig auf dem drehenden Rade
des Ixion, schöpft immer im Siebe der Danaiden, ist der ewig schmachtende
Tantalus“ (WWV I, § 38, Hü 231). „Denn unermüdlich streben wir von Wunsch
zu Wunsch, und wenn gleich jede erlangte Befriedigung, soviel sie auch ver-
hieß, uns doch nicht befriedigt, sondern meistens bald als beschämender Irr-
thum dasteht, sehn wir doch nicht ein, daß wir mit dem Faß der Danaiden
schöpfen; sondern eilen zu immer neuen Wünschen“ (WWV I, § 57, 375-376).
„Der Wille kann so wenig durch irgend eine Befriedigung aufhören stets wieder
nächst individualistisch ausgerichteten Geistesaristokratismus tritt hervor,
wenn Scheier im Abschnitt „Übermensch und Allmensch“ für die Förderung
von „höchsten Exemplaren“ nicht im Sinne eines individualistischen „Selbst-
zweck[s]“ argumentiert, sondern im Sinne dessen, was „,für‘ die Menschheit
das schlechthin ,beste4 ist“ (B.L22). Damit folgt Scheier N.s These in UB II HL:
Das „Ziel der Menschheit kann [...] nur in ihren höchsten Exemplaren“ liegen
(317, 24-26).
317, 29 - 318, 6 „So wenig es sich mit dem Begriffe der Entwickelung vertragen
würde, dem Weltprozess eine unendliche Dauer in der Vergangenheit zuzuschrei-
ben [...] so wenig können wir dem Prozesse eine unendliche Dauer für die Zukunft
zugestehen; Beides höbe den Begriff der Entwickelung zu einem Ziele auf [...]
und stellte den Weltprozess dem Wasserschöpfen der Danaiden gleich. Der voll-
endete Sieg des Logischen [...] muss aber mit dem zeitlichen Ende des Weltpro-
zesses, dem jüngsten Tage, zusammenfallen“] N. zitiert hier aus der Philosophie
des Unbewußten von Eduard von Hartmann (637), der das „Wasserschöpfen der
Danaiden“ als gleichnishaftes Bild für die Sinnlosigkeit des „Weltprozesses“
inszeniert und damit auf die Geschichte der Danaiden anspielt: Nach erzwun-
gener Eheschließung ermordeten die fünfzig Töchter des Danaos, die dieser
insgeheim mit Dolchen ausgestattet hatte, auf seinen Befehl hin in der Hoch-
zeitsnacht ihre Männer. Dem Massaker fielen neunundvierzig von den fünfzig
Söhnen des Aigyptos zum Opfer, der in der Vorgeschichte mit seinem Bruder
Danaos in einen Machtkampf geraten war. Einer Version des Mythos zufolge
wurden die Danaiden im Hades dazu verurteilt, ständig Wasser in ein durchlö-
chertes Fass zu schöpfen. Bereits in der Antike galt diese aporetische Konstella-
tion als Paradigma jeder vergeblichen Arbeit.
Schopenhauer gebraucht die Metapher vom Sieb bzw. Fass der Danaiden
mehrfach, um den unendlichen Prozess des voluntativen Strebens zu charakte-
risieren, in dem Bedürfnisse immer nur vorübergehend, nie endgültig befrie-
digt werden können: vgl. WWV I, § 38, Hü 231; § 57, Hü 376; § 65, Hü 428. In
der Welt als Wille und Vorstellung I erklärt Schopenhauer: „die Sorge für den
stets fordernden Willen, gleichviel in welcher Gestalt, erfüllt und bewegt fort-
dauernd das Bewußtseyn; ohne Ruhe aber ist durchaus kein wahres Wohlseyn
möglich. So liegt das Subjekt des Wollens beständig auf dem drehenden Rade
des Ixion, schöpft immer im Siebe der Danaiden, ist der ewig schmachtende
Tantalus“ (WWV I, § 38, Hü 231). „Denn unermüdlich streben wir von Wunsch
zu Wunsch, und wenn gleich jede erlangte Befriedigung, soviel sie auch ver-
hieß, uns doch nicht befriedigt, sondern meistens bald als beschämender Irr-
thum dasteht, sehn wir doch nicht ein, daß wir mit dem Faß der Danaiden
schöpfen; sondern eilen zu immer neuen Wünschen“ (WWV I, § 57, 375-376).
„Der Wille kann so wenig durch irgend eine Befriedigung aufhören stets wieder