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Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1/2): Kommentar zu Nietzsches Unzeitgemässen Betrachtungen: I. David Strauss der Bekenner und der Schriftsteller, II. Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben — Berlin, Boston: De Gruyter, 2020

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69926#0583
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Stellenkommentar UB II HL 9, KSA 1, S. 318-319 557

Geschichte gepriesen, darunter Aemilius Paulius, der sich in der Schlacht bei
Cannae, als der Sieg des Puniers Hannibal über das römische Heer bereits ent-
schieden war, dennoch nicht durch die Flucht zu retten versuchte: „animaeque
magnae / prodigum Paullum superante Poeno“. - N.s Anspielung lässt sich
allerdings auch im Sinne von Giordano Bruno verstehen, dessen philosophi-
sches Werk De gl’heroici furori (Von den heroischen Leidenschaften) 1585 er-
schienen war: Laut Bruno kann der Mensch durch die heroischen Leidenschaf-
ten in einen enthusiastischen Aufschwung geraten, der es ihm ermöglicht, die
Normalexistenz zu transzendieren und dabei sogar die Sphäre des Über-
menschlichen, Göttlichen zu erreichen. Giordano Bruno begreift es in seinem
platonisierenden Pantheismus als natura naturans und ordnet es dem Wahren,
Schönen und Guten zu. Vgl. Friedrich Schellings frühen Dialog Bruno oder über
das göttliche und natürliche Prinzip der Dinge. Ein Gespräch (1802).
319, 20-24 die Lehren vom souverainen Werden, von der Flüssigkeit aller Begrif-
fe, Typen und Arten, von dem Mangel aller cardinalen Verschiedenheit zwischen
Mensch und Thier - Lehren, die ich für wahr, aber für tödtlich halte] Dass N.
hier vor allem auf die Evolutionstheorien der Darwinisten affirmativ Bezug
nimmt, zeigt ein Nachlass-Notat von 1872/73: Dort betont er explizit die „ent-
setzliche Consequenz des Darwinismus, den ich übrigens für wahr halte“
(NL 1872/73,19 [132], KSA 7, 461). Auch in UB I DS rekurriert N. auf Darwin und
den Darwinismus: Hier erhebt er gegen David Friedrich Strauß den Vorwurf
der Inkonsequenz, weil dieser „Darwin als einen der grössten Wohlthäter der
Menschheit“ gepriesen habe (KSA 1,194, 26), ohne aus Hobbes’ „bellum omni-
um contra omnes und dem Vorrechte des Stärkeren“ (KSA 1, 194, 31) gemäß
Darwins Theorie auch konkrete Postulate im Sinne einer „Darwinistischen
Ethik“ (KSA 1, 195, 4) abzuleiten.
Der englische Naturforscher Charles Robert Darwin (1809-1882) wurde
durch seine Evolutionstheorie berühmt. Auf der Basis jahrzehntelanger For-
schungen, für die er seine Beobachtungen auf ausgedehnten Expeditionen in
mehrere Kontinente auswertete, publizierte Darwin 1859 sein berühmtes
Hauptwerk On the Origin ofSpecies (Über den Ursprung der Arten). Hier entfal-
tet er seine Selektionstheorie, nach der sich das Leben aller Arten in der Natur-
geschichte durch Variation zur Anpassung an die jeweiligen Umweltbedingun-
gen und durch natürliche Auslese (Selektion) entwickelt hat. Mit dieser Theorie
erklärte Darwin die Phylogenese der Lebewesen und ihre Differenzierung in
die unterschiedlichen Arten. Später führte er seine evolutionstheoretischen
Forschungen im Hinblick auf den Menschen fort und veröffentlichte 1871 sein
Werk The Descent ofMan, and Selection in Relation to Sex (Die Abstammung des
Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl). In seiner letzten Lebensphase
 
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