10 Jenseits von Gut und Böse
zwischen Za und JGB eine enge Verbindung herstellen, zum Anlass genommen,
in JGB nach den angeblichen Lehren Zarathustras zu forschen. Allerdings kom-
men die „Begriffs-Neuerungen“ von Za in JGB entweder gar nicht explizit vor
(so ergeht es dem Übermenschen und der Ewigen Wiederkunft des Gleichen),
oder doch nur unter Einschränkungen (so ergeht es dem Willen zur Macht).
Die „wichtigsten Begriffs- und Werth-Neuerungen jenes Buchs“ sind in JGB ge-
rade nicht „mit Namen genannt“. Nun könnte man einwenden, ein Buch über
ein Buch müsse das nicht leisten; es könne sich ja für die gleiche Sache ande-
rer Namen bedienen - z. B. statt des Übermenschen den „Vornehmen“ in den
Vordergrund stellen, wie es im letzten Hauptstück von JGB geschieht. Das wäre
dann kein Glossarium, sondern ein Kommentar, der das eine Vokabular in ein
anderes übersetzt. Tatsächlich verlautbarte N. am 26.10.1886 gegenüber Rein-
hart von Seydlitz zu JGB: „Es ist eine Art von Commentar zu meinem »Zara-
thustra4. Aber wie gut müßte man mich verstehn, um zu verstehn, in wie fern
es zu ihm ein Commentar ist!“ (KSB 7/KGBIII/3, Nr. 768, S. 270 f., Z. 12-15). Das
zu verstehen, fällt wirklich schwer, denn hatte N. nicht zur selben Zeit, nämlich
in der Aufzeichnung 6[4] gerade erklärt, dass „dies »Vorspiel einer Philosophie
der Zukunft4 keinen Commentar zu den Reden Zarathustra’s abgiebt und abge-
ben soll“? (Zweieinhalb Jahre früher, am 7. 04.1884 hatte N. hingegen M und
FW als vorwegnehmende Kommentare zu Za verstanden wissen wollen - KSB
6/KGB III/l, Nr. 504, S. 496, Z. 78-82).
Problematisch und offen bleibt, in welcher Weise die von N. behauptete
enge Verbindung zwischen Za und JGB besteht. N.s Darstellung von JGB als
„Glossarium“ oder „Commentar“ zu Za ist vor allem eines: eine Kontinuitätsbe-
hauptung. Gegen den Anschein, sein denkerisches und schriftstellerisches
Werk zerfalle in unverbundene Einzelteile, stellte N. den Grundsatz, zwischen
seinen Schriften bestehe ein Verhältnis von Kohärenz und Konsistenz. Er wollte
den Anschein von kontinuierlicher Entwicklung und innerer Folgerichtigkeit
erzeugen. Dabei kommt, je weniger sich das in Planung begriffene Hauptwerk
Der Wille zur Macht realisieren lässt, dem stattdessen zum Hauptwerk stilisier-
ten Za die Funktion zu, letzter Bezugspunkt zu sein. N. suggeriert, in diesem
Werk seien implizit die Summe seines Denkens und damit all das schon enthal-
ten, was die späteren Schriften bloß noch explizierten. Auch sonst ist N. darauf
bedacht, zwischen seinen Werken Korrespondenzen herzustellen. Im Falle von
JGB ist die auffälligste Korrespondenz diejenige zum Aufbau von MA I (s. u. ÜK
JGB, Abschnitt 4 u. z. B. Scheier 1990, XXXIII). Aber auch zu den nachfolgen-
den Werken konstruiert N. noch im Prozess der Produktion Bezüge. So heißt
es im Brief an Constantin Georg Naumann vom 17. 07.1887 zur Genealogie der
Moral (GM), diese sei „eine kleine Streitschrift die in direktem Zusammen-
hänge mit dem voriges Jahr erschienenen Jenseits4 steht: schon dem Titel
zwischen Za und JGB eine enge Verbindung herstellen, zum Anlass genommen,
in JGB nach den angeblichen Lehren Zarathustras zu forschen. Allerdings kom-
men die „Begriffs-Neuerungen“ von Za in JGB entweder gar nicht explizit vor
(so ergeht es dem Übermenschen und der Ewigen Wiederkunft des Gleichen),
oder doch nur unter Einschränkungen (so ergeht es dem Willen zur Macht).
Die „wichtigsten Begriffs- und Werth-Neuerungen jenes Buchs“ sind in JGB ge-
rade nicht „mit Namen genannt“. Nun könnte man einwenden, ein Buch über
ein Buch müsse das nicht leisten; es könne sich ja für die gleiche Sache ande-
rer Namen bedienen - z. B. statt des Übermenschen den „Vornehmen“ in den
Vordergrund stellen, wie es im letzten Hauptstück von JGB geschieht. Das wäre
dann kein Glossarium, sondern ein Kommentar, der das eine Vokabular in ein
anderes übersetzt. Tatsächlich verlautbarte N. am 26.10.1886 gegenüber Rein-
hart von Seydlitz zu JGB: „Es ist eine Art von Commentar zu meinem »Zara-
thustra4. Aber wie gut müßte man mich verstehn, um zu verstehn, in wie fern
es zu ihm ein Commentar ist!“ (KSB 7/KGBIII/3, Nr. 768, S. 270 f., Z. 12-15). Das
zu verstehen, fällt wirklich schwer, denn hatte N. nicht zur selben Zeit, nämlich
in der Aufzeichnung 6[4] gerade erklärt, dass „dies »Vorspiel einer Philosophie
der Zukunft4 keinen Commentar zu den Reden Zarathustra’s abgiebt und abge-
ben soll“? (Zweieinhalb Jahre früher, am 7. 04.1884 hatte N. hingegen M und
FW als vorwegnehmende Kommentare zu Za verstanden wissen wollen - KSB
6/KGB III/l, Nr. 504, S. 496, Z. 78-82).
Problematisch und offen bleibt, in welcher Weise die von N. behauptete
enge Verbindung zwischen Za und JGB besteht. N.s Darstellung von JGB als
„Glossarium“ oder „Commentar“ zu Za ist vor allem eines: eine Kontinuitätsbe-
hauptung. Gegen den Anschein, sein denkerisches und schriftstellerisches
Werk zerfalle in unverbundene Einzelteile, stellte N. den Grundsatz, zwischen
seinen Schriften bestehe ein Verhältnis von Kohärenz und Konsistenz. Er wollte
den Anschein von kontinuierlicher Entwicklung und innerer Folgerichtigkeit
erzeugen. Dabei kommt, je weniger sich das in Planung begriffene Hauptwerk
Der Wille zur Macht realisieren lässt, dem stattdessen zum Hauptwerk stilisier-
ten Za die Funktion zu, letzter Bezugspunkt zu sein. N. suggeriert, in diesem
Werk seien implizit die Summe seines Denkens und damit all das schon enthal-
ten, was die späteren Schriften bloß noch explizierten. Auch sonst ist N. darauf
bedacht, zwischen seinen Werken Korrespondenzen herzustellen. Im Falle von
JGB ist die auffälligste Korrespondenz diejenige zum Aufbau von MA I (s. u. ÜK
JGB, Abschnitt 4 u. z. B. Scheier 1990, XXXIII). Aber auch zu den nachfolgen-
den Werken konstruiert N. noch im Prozess der Produktion Bezüge. So heißt
es im Brief an Constantin Georg Naumann vom 17. 07.1887 zur Genealogie der
Moral (GM), diese sei „eine kleine Streitschrift die in direktem Zusammen-
hänge mit dem voriges Jahr erschienenen Jenseits4 steht: schon dem Titel