Überblickskommentar 13
Diesem Angelhaken-Prinzip sind auch N.s Selbstzeugnisse verpflichtet, inso-
fern sie seine Schriften bewerben, und zwar durchaus gezielt auf unterschiedli-
che Leser. Wenn er beispielsweise am 26.10.1886 Seydlitz JGB als „Commen-
tar“ zu Za schmackhaft machen will, so wohl deshalb, weil er bei diesem
Adressaten ein besonderes Interesse an Za voraussetzt (vgl. ausführlicher N. an
Overbeck, 05. 08.1886, KSB 7/KGB III/3, Nr. 729, S. 223). Mit JGB indes wollte
N. einen neuen Anfang wagen, der seiner mangelnden Präsenz in den zeitge-
nössischen Debatten ein Ende setzen würde. Der Untertitel des Werkes: „Vor-
spiel einer Philosophie der Zukunft“ (KSA 5, 9, 2f.) suggeriert genau diesen
neuen Anfang - JGB dürfte, so gegenüber Overbeck am 14. 07.1886, „noch in
einem peinlich frischen Klima als sehr frisch empfunden werden“ (KSB 7/KGB
III/3, Nr. 720, S. 204, Z. 35 f.). Tendenzen der Vereindeutigung und Radikalisie-
rung, die sich insbesondere im Bereich der Moralkritik und des politischen
Denkens in JGB abzeichnen, könnten dem Wunsch nach Popularisierung ge-
horchen: Je extremer die Positionen sind, desto größer erscheint die Chance,
auf Widerhall zu stoßen, und sei es auch nur in Form des Widerspruchs. „Denn
es ist ein erschreckliches Buch, das dies Mal mir aus der Seele geflossen ist, —
sehr schwarz, beinahe Tintenfisch.“ (N. an Köselitz, 21. 04.1886, KSB 7/KGB
III/3, Nr. 690, S. 181, Z. 43-45).
Die Hoffnungen, die N. mit der Durchschlagskraft von JGB verband, wur-
den nach der Publikation nicht bescheidener: „Vielleicht ist es [...] rathsamer,
den Zarathustra einstweilen noch zurückzuhalten. Er wird am stärksten wirken
und gekauft werden, wenn erst eine gewisse Sättigung mit meinen Gedanken
und Perspektiven bei dem Publikum erreicht ist. Das eben ausgegebne Buch
Jenseits von Gut und Böse‘ wird ihm nicht übel den Weg bereiten.“ (N. an
Fritzsch, 16. 08.1886, KSB 7/KGB III/3, Nr. 732, S. 228, Z. 24-30) Zunächst ein-
mal schienen sich die Wunschträume auch zu bewahrheiten; so meldete N.
seiner Schwester und seinem Schwager am 02. 09.1886: „Bis jetzt ist schon die
Hälfte der Auflage abgesetzt; Naumann schrieb sehr vergnügt, — es ist als ob
ein Bann von meinen Büchern genommen wäre“ (KSB 7/KGB III/3, Nr. 741,
S. 239, Z. 24-26) - und entschuldigte sich zugleich, dass er „das neue Buch
noch nicht geschickt habe: aber, eben im Begriff, die Ordre dazu zu geben, sah
ich’s mir erst darauf an, ob es Euch Vergnügen machen werde, — und siehe,
da schien mir’s gar nicht so!“ (ebd., S. 240, Z. 34-38). Das „sehr vergnügte“
Schreiben von Naumann ist freilich nicht erhalten, und ein knappes Jahr nach
Erscheinen musste N. sich eingestehen, dass auch JGB ein buchhändlerischer
Misserfolg war: „Es sind überhaupt nur 114 Exemplare verkauft worden
(während allein 66 Exemplare an Zeitungen und Zeitschriften verschenkt wor-
den sind) / Lehrreich! Nämlich man will partout meine Litteratur nicht:
und ich - darf mir den Luxus des Druckes nicht mehr gestatten. —“ (N. an
Diesem Angelhaken-Prinzip sind auch N.s Selbstzeugnisse verpflichtet, inso-
fern sie seine Schriften bewerben, und zwar durchaus gezielt auf unterschiedli-
che Leser. Wenn er beispielsweise am 26.10.1886 Seydlitz JGB als „Commen-
tar“ zu Za schmackhaft machen will, so wohl deshalb, weil er bei diesem
Adressaten ein besonderes Interesse an Za voraussetzt (vgl. ausführlicher N. an
Overbeck, 05. 08.1886, KSB 7/KGB III/3, Nr. 729, S. 223). Mit JGB indes wollte
N. einen neuen Anfang wagen, der seiner mangelnden Präsenz in den zeitge-
nössischen Debatten ein Ende setzen würde. Der Untertitel des Werkes: „Vor-
spiel einer Philosophie der Zukunft“ (KSA 5, 9, 2f.) suggeriert genau diesen
neuen Anfang - JGB dürfte, so gegenüber Overbeck am 14. 07.1886, „noch in
einem peinlich frischen Klima als sehr frisch empfunden werden“ (KSB 7/KGB
III/3, Nr. 720, S. 204, Z. 35 f.). Tendenzen der Vereindeutigung und Radikalisie-
rung, die sich insbesondere im Bereich der Moralkritik und des politischen
Denkens in JGB abzeichnen, könnten dem Wunsch nach Popularisierung ge-
horchen: Je extremer die Positionen sind, desto größer erscheint die Chance,
auf Widerhall zu stoßen, und sei es auch nur in Form des Widerspruchs. „Denn
es ist ein erschreckliches Buch, das dies Mal mir aus der Seele geflossen ist, —
sehr schwarz, beinahe Tintenfisch.“ (N. an Köselitz, 21. 04.1886, KSB 7/KGB
III/3, Nr. 690, S. 181, Z. 43-45).
Die Hoffnungen, die N. mit der Durchschlagskraft von JGB verband, wur-
den nach der Publikation nicht bescheidener: „Vielleicht ist es [...] rathsamer,
den Zarathustra einstweilen noch zurückzuhalten. Er wird am stärksten wirken
und gekauft werden, wenn erst eine gewisse Sättigung mit meinen Gedanken
und Perspektiven bei dem Publikum erreicht ist. Das eben ausgegebne Buch
Jenseits von Gut und Böse‘ wird ihm nicht übel den Weg bereiten.“ (N. an
Fritzsch, 16. 08.1886, KSB 7/KGB III/3, Nr. 732, S. 228, Z. 24-30) Zunächst ein-
mal schienen sich die Wunschträume auch zu bewahrheiten; so meldete N.
seiner Schwester und seinem Schwager am 02. 09.1886: „Bis jetzt ist schon die
Hälfte der Auflage abgesetzt; Naumann schrieb sehr vergnügt, — es ist als ob
ein Bann von meinen Büchern genommen wäre“ (KSB 7/KGB III/3, Nr. 741,
S. 239, Z. 24-26) - und entschuldigte sich zugleich, dass er „das neue Buch
noch nicht geschickt habe: aber, eben im Begriff, die Ordre dazu zu geben, sah
ich’s mir erst darauf an, ob es Euch Vergnügen machen werde, — und siehe,
da schien mir’s gar nicht so!“ (ebd., S. 240, Z. 34-38). Das „sehr vergnügte“
Schreiben von Naumann ist freilich nicht erhalten, und ein knappes Jahr nach
Erscheinen musste N. sich eingestehen, dass auch JGB ein buchhändlerischer
Misserfolg war: „Es sind überhaupt nur 114 Exemplare verkauft worden
(während allein 66 Exemplare an Zeitungen und Zeitschriften verschenkt wor-
den sind) / Lehrreich! Nämlich man will partout meine Litteratur nicht:
und ich - darf mir den Luxus des Druckes nicht mehr gestatten. —“ (N. an