Überblickskommentar 33
Positiver äußerte sich die schweizerische Presse, namentlich ,,[s]ehr ehr-
furchtsvoll“ (N. an Franziska Nietzsche, 22.12.1886, KSB 7/KGB III/3, Nr. 782,
S. 293, Z. 31) Heinrich Welti in der Neuen Zürcher Zeitung: Man habe es beim
Verfasser von JGB mit einem „Revolutionär auf dem Gebiet der Philosophie zu
thun [...], mit einem großen Zweifler am Werth aller bisherigen metaphysischen
Systeme und einem kühnen, mit allen Mitteln des Wissens ausgerüsteten Pfad-
sucher einer neuen Welt[-] und Lebensanschauung“ (zitiert nach Reich 2013,
643). Ebenfalls ehrfürchtig klingt ein Brief von Heinrich Adams an N. vom
27. 02.1887 (KSB 8/KGB III/5, Nr. 438, S. 25-27). Wütend zeigte sich N. hinge-
gen angesichts des Umgangs mit JGB in der Antisemitischen Correspondenz.
Deren Herausgeber Theodor Fritsch, der sich hauptsächlich auf die Behand-
lung des Judentums innerhalb von JGB konzentrierte, warf N. vor, „zu einer
Art Verherrlichung der Juden und zu einer schroffen Verurteilung des Antisemi-
tismus“ (zitiert nach Reich 2013, 655) zu gelangen und kritisierte gleichzeitig
N.s „Narretei von der Assimilations- und Besserungs-Fähigkeit der Juden“
(ebd., 663). Dazu N. in einem Brieffragment an Franziska Nietzsche vom
29.12.1887: „[Seit ich die Kritik in] der ,antisemitischen] Correspondenz4 gele-
sen habe, kenne ich keine Schonung mehr. Diese Partei hat der Reihe nach mir
meinen Verleger, meinen Ruf, meine Schwester, meine Freunde verdorben -
nichts steht meinem Einfluß mehr im Wege, als daß der Name Nietzsche in
Verbindung mit solchen Antisemiten wie E. Dühring gebracht worden ist“ (KSB
8/KGB III/5, Nr. 967, S. 217, Z. 2-7).
Anfang 1889 versank N. in geistiger Umnachtung; bald erschienen Neuauf-
lagen seiner Werke, darunter auch JGB. Die Fama des Wahnsinns tat dem Ab-
satz sichtlich gut (vgl. Schaberg 2002, 289); es folgten neue Besprechungen
(vgl. Kr I, 215 u. Kr I, 238), und später berühmte Persönlichkeiten machten mit
N. über JGB Bekanntschaft, so 1889 der nachmalige Begründer der Anthroposo-
phie Rudolf Steiner: „Jenseits von Gut und Böse4 war das erste Buch, das ich
von ihm las. Ich war auch von dieser Betrachtungsart zugleich gefesselt und
wieder zurückgestoßen. Ich konnte schwer mit Nietzsche zurecht kommen. Ich
liebte seinen Stil, ich liebte seine Kühnheit; ich liebte aber durchaus die Art
nicht, wie Nietzsche über die tiefsten Probleme sprach, ohne im geistigen Erle-
ben mit der Seele bewußt in sie unterzutauchen.“ (Kr I, 174, vgl. Hoffmann
1991, 424 f.) August Strindberg stellte N. als Verfasser von JGB Julius Langbehn
zur Seite: „Da kam der zweite Prophet, Nietzsche, und erklärte zuerst, daß das
Böse gut sei und das Gute böse, ferner, daß Gut und Böse nicht existierten. Das
war die Apologie des Verbrechens, die Verbrechermoral, die in Oscar Wildes
Perversität ihren schärfsten Ausdruck fand.“ (Zitiert nach Kr 1,175.) 1901 wollte
Wilhelm Schacht dann anhand von JGB nachweisen, dass N. eine „durch und
durch perverse Natur“ gewesen sei (Schacht 1901, 157), und demonstrieren,
Positiver äußerte sich die schweizerische Presse, namentlich ,,[s]ehr ehr-
furchtsvoll“ (N. an Franziska Nietzsche, 22.12.1886, KSB 7/KGB III/3, Nr. 782,
S. 293, Z. 31) Heinrich Welti in der Neuen Zürcher Zeitung: Man habe es beim
Verfasser von JGB mit einem „Revolutionär auf dem Gebiet der Philosophie zu
thun [...], mit einem großen Zweifler am Werth aller bisherigen metaphysischen
Systeme und einem kühnen, mit allen Mitteln des Wissens ausgerüsteten Pfad-
sucher einer neuen Welt[-] und Lebensanschauung“ (zitiert nach Reich 2013,
643). Ebenfalls ehrfürchtig klingt ein Brief von Heinrich Adams an N. vom
27. 02.1887 (KSB 8/KGB III/5, Nr. 438, S. 25-27). Wütend zeigte sich N. hinge-
gen angesichts des Umgangs mit JGB in der Antisemitischen Correspondenz.
Deren Herausgeber Theodor Fritsch, der sich hauptsächlich auf die Behand-
lung des Judentums innerhalb von JGB konzentrierte, warf N. vor, „zu einer
Art Verherrlichung der Juden und zu einer schroffen Verurteilung des Antisemi-
tismus“ (zitiert nach Reich 2013, 655) zu gelangen und kritisierte gleichzeitig
N.s „Narretei von der Assimilations- und Besserungs-Fähigkeit der Juden“
(ebd., 663). Dazu N. in einem Brieffragment an Franziska Nietzsche vom
29.12.1887: „[Seit ich die Kritik in] der ,antisemitischen] Correspondenz4 gele-
sen habe, kenne ich keine Schonung mehr. Diese Partei hat der Reihe nach mir
meinen Verleger, meinen Ruf, meine Schwester, meine Freunde verdorben -
nichts steht meinem Einfluß mehr im Wege, als daß der Name Nietzsche in
Verbindung mit solchen Antisemiten wie E. Dühring gebracht worden ist“ (KSB
8/KGB III/5, Nr. 967, S. 217, Z. 2-7).
Anfang 1889 versank N. in geistiger Umnachtung; bald erschienen Neuauf-
lagen seiner Werke, darunter auch JGB. Die Fama des Wahnsinns tat dem Ab-
satz sichtlich gut (vgl. Schaberg 2002, 289); es folgten neue Besprechungen
(vgl. Kr I, 215 u. Kr I, 238), und später berühmte Persönlichkeiten machten mit
N. über JGB Bekanntschaft, so 1889 der nachmalige Begründer der Anthroposo-
phie Rudolf Steiner: „Jenseits von Gut und Böse4 war das erste Buch, das ich
von ihm las. Ich war auch von dieser Betrachtungsart zugleich gefesselt und
wieder zurückgestoßen. Ich konnte schwer mit Nietzsche zurecht kommen. Ich
liebte seinen Stil, ich liebte seine Kühnheit; ich liebte aber durchaus die Art
nicht, wie Nietzsche über die tiefsten Probleme sprach, ohne im geistigen Erle-
ben mit der Seele bewußt in sie unterzutauchen.“ (Kr I, 174, vgl. Hoffmann
1991, 424 f.) August Strindberg stellte N. als Verfasser von JGB Julius Langbehn
zur Seite: „Da kam der zweite Prophet, Nietzsche, und erklärte zuerst, daß das
Böse gut sei und das Gute böse, ferner, daß Gut und Böse nicht existierten. Das
war die Apologie des Verbrechens, die Verbrechermoral, die in Oscar Wildes
Perversität ihren schärfsten Ausdruck fand.“ (Zitiert nach Kr 1,175.) 1901 wollte
Wilhelm Schacht dann anhand von JGB nachweisen, dass N. eine „durch und
durch perverse Natur“ gewesen sei (Schacht 1901, 157), und demonstrieren,