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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0076
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56 Jenseits von Gut und Böse

logie entsprungen sei, jedoch „beide in vollständigem Widerspruch miteinan-
der“ (Lubbock 1875, 169) stünden, während Friedrich Albert Lange in seiner
Geschichte des Materialismus auf der gegenseitigen Befruchtung von Astrologie
und Astronomie bestand: „Die Astrologie sowohl wie die wesensverwandte Al-
chymie besassen durchaus die geregelte Form von Wissenschaften und waren
in der reineren Weise, in welcher die Araber und die christlichen Gelehrten des
Mittelalters diese Künste betrieben, weit entfernt von dem masslosen Schwin-
del, der im 16. und besonders im 17. Jahrhundert sich einstellte“ (Lange 1866,
81, vgl. 338). Über das gewaltige finanzielle und emotionale Engagement der
Menschheit zugunsten der Astronomie konnte sich N. in Edward Burnett Tylors
Anfängen der Cultur informieren (Tylor 1873, 1, 128-132), die er 1875 der Basler
Universitätsbibliothek entliehen hatte (Crescenzi 1994, 432), während er spä-
testens seit seiner Arbeit am Registerband des Rheinischen Museums für Philolo-
gie ([Nietzsche] 1871) gewusst haben muss, dass man altbabylonische Monu-
mentalarchitektur auf einen astrologischen Kult zurückzuführen pflegte, weil
dies in einem von ihm indizierten Artikel zur Sprache kam (Knötel 1867, 528).
Das war im Hinblick auf Ägypten damals schon längst etablierter Wissen-
schaftskonsens: „Den ältesten Ursprung der Astrologie glaubt die Forschung
in der babylonischen Provinz Chaldäa gefunden zu haben, nächstdem, daß
ohne Zweifel gleichzeitig mit den Chaldäern die Aegyptier die Sternkunde
pflegten, heilig hielten und mit ihrem Götterkult in unmittelbare Verbindung
brachten, von welcher wundersame Bilder und Bauwerke der Nachwelt Zeug-
niß gaben und zum Theil noch immer geben. Es sei nur des Riesenthurmes zu
Babel, der Pyramiden, des Thierkreises zu Denderah gedacht.“ (Bechstein
1860, 2). Zu den astronomischen Bemühungen bei den Chinesen und den
Ägyptern vgl. auch Secchi 1878, 25 u. 242, zu N.s Rezeption dieses Werkes NK
117, 11-15.
In William Edward Hartpole Leckys Geschichte des Ursprungs und Einflus-
ses der Aufklärung hielt N. jene Überlegungen für bemerkenswert, die die le-
bensfunktionale Bedeutung von Astrologie ausleuchteten, nämlich als Aus-
druck eines naiven Geo- und Anthropozentrismus: „Dem Ungebildeten scheint
keine Behauptung selbstverständlicher, als dass unsere Erde der grosse Haupt-
zweck des Weltalls ist [...]. Da der Mensch der Mittelpunkt aller Dinge ist, so
hat jede auffallende Naturerscheinung einen Bezug auf seine Handlungen.“
(Lecky 1873, 1, 215. Von N. am Rand markiert, seine Unterstreichung.) Die As-
trologie nun befriedigt diesen menschlichen Anspruch, im Zentrum des Welt-
geschehens zu stehen: „Es ist eine äusserst geistvolle, und mindestens soweit
die Zeit der Wiederbelebung der Wissenschaft darunter begriffen ist, eine
höchst richtige Bemerkung Comte’s, dass die Astrologie der erste systematische
Versuch war zur Gestaltung einer Philosophie der Geschichte, da sie die
 
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