Stellenkommentar JGB 3, KSA 5, S. 17 89
und dort die einschlägige Definition mit einem „ja!“ am Rand glossiert: „Ande-
rerseits sind die bewunderungswürdigsten Functionen des menschlichen Geis-
tes, sittlicher Tact und künstlerisches Genie, mit dem Instinct der Thiere we-
sentlich einerlei, nur graduell von ihm verschieden mit ihm offenbar unter das-
selbe Genus gehörig, nämlich, wie er anscheinend Ausflüsse einer höheren
Inspiration. Instinct, Tact, Genie kommen darin überein, daß sie unüber-
legt das Richtige und Angemessene fühlen, wollen und thun; sie bestehen
in der Fähigkeit, ohne Vorbedacht, ohne Erfahrung und Einübung, ohne
Reflexion und Prämeditation, ohne Schwanken, Zweifeln und Hin- und Her-
erwägen sofort den Nagel auf den Kopf zu treffen.“ (Liebmann 1880, 410. N.s
Unterstreichungen, mehrere Randstriche von seiner Hand). Auch Espinas 1879,
183 entwirft eine „Theorie des Instincts“.
17, 21-24 ebenso wenig ist „Bewusstsein“ in irgend einem entscheidenden Sinne
dem Instinktiven entgegengesetzt, — das meiste bewusste Denken eines
Philosophen ist durch seine Instinkte heimlich geführt und in bestimmte Bahnen
gezwungen] Vgl. NK 17, 15-17.
17,18-21 wie man in Betreff der Vererbung und des „Angeborenen“ umgelernt
hat. So wenig der Akt der Geburt in dem ganzen Vor- und Fortgänge der Verer-
bung in Betracht kommt] „Umgelernt“ hat man dank der Evolutionstheorie, die
die gattungsgeschichtliche Bedingtheit scheinbar feststehender Merkmale he-
rausstellt. Seine entsprechenden Informationen bezog N. beispielsweise aus
der Monographie Der menschliche Wille vom Standpunkte der neueren Entwick-
lungstheorien von Georg Heinrich Schneider. Dort wurde nicht nur die von
Charles Darwin bestimmte Vererbungslehre erörtert - und mit ihr die Irrele-
vanz des Geburtsaktes für die Vererbung deutlich gemacht -, sondern es fand
eine ausführliche Auseinandersetzung mit der in der frühneuzeitlichen Philo-
sophie namentlich bei Descartes, Leibniz und Locke virulenten Problematik
der angeborenen Ideen statt (Schneider 1882, 50-75). Das Resume lautete: „Auf
die in der Geschichte der Philosophie so vielfach erörterte Frage, ob es ange-
borne Vorstellungen bezüglich angeborne Grundsätze giebt oder nicht, haben
wir, um das Vorhergehende noch einmal zusammenzufassen, folgendes zu ant-
worten: Aller Erfahrung nach werden zwar keine fertigen Vorstellungen und
Grundsätze als solche durch Vererbung übertragen; aber es vererbt sich nicht
nur die Fähigkeit, Vorstellungen und Grundsätze zu bilden, sondern es werden
auch 1) die Beziehungen zwischen den Vorstellungen unter sich, 2) die Bezie-
hungen der /75/ Wahrnehmungen und Vorstellungen zu den entsprechenden
Gefühlen und Trieben überhaupt, 3) die Beziehungen der Triebe zu den Hand-
lungen resp. den Muskelcontractionen und 4) die relative Stärke aller dieser
Beziehungen, durch welche in jedem Falle die Wahl bestimmt wird, in einer
und dort die einschlägige Definition mit einem „ja!“ am Rand glossiert: „Ande-
rerseits sind die bewunderungswürdigsten Functionen des menschlichen Geis-
tes, sittlicher Tact und künstlerisches Genie, mit dem Instinct der Thiere we-
sentlich einerlei, nur graduell von ihm verschieden mit ihm offenbar unter das-
selbe Genus gehörig, nämlich, wie er anscheinend Ausflüsse einer höheren
Inspiration. Instinct, Tact, Genie kommen darin überein, daß sie unüber-
legt das Richtige und Angemessene fühlen, wollen und thun; sie bestehen
in der Fähigkeit, ohne Vorbedacht, ohne Erfahrung und Einübung, ohne
Reflexion und Prämeditation, ohne Schwanken, Zweifeln und Hin- und Her-
erwägen sofort den Nagel auf den Kopf zu treffen.“ (Liebmann 1880, 410. N.s
Unterstreichungen, mehrere Randstriche von seiner Hand). Auch Espinas 1879,
183 entwirft eine „Theorie des Instincts“.
17, 21-24 ebenso wenig ist „Bewusstsein“ in irgend einem entscheidenden Sinne
dem Instinktiven entgegengesetzt, — das meiste bewusste Denken eines
Philosophen ist durch seine Instinkte heimlich geführt und in bestimmte Bahnen
gezwungen] Vgl. NK 17, 15-17.
17,18-21 wie man in Betreff der Vererbung und des „Angeborenen“ umgelernt
hat. So wenig der Akt der Geburt in dem ganzen Vor- und Fortgänge der Verer-
bung in Betracht kommt] „Umgelernt“ hat man dank der Evolutionstheorie, die
die gattungsgeschichtliche Bedingtheit scheinbar feststehender Merkmale he-
rausstellt. Seine entsprechenden Informationen bezog N. beispielsweise aus
der Monographie Der menschliche Wille vom Standpunkte der neueren Entwick-
lungstheorien von Georg Heinrich Schneider. Dort wurde nicht nur die von
Charles Darwin bestimmte Vererbungslehre erörtert - und mit ihr die Irrele-
vanz des Geburtsaktes für die Vererbung deutlich gemacht -, sondern es fand
eine ausführliche Auseinandersetzung mit der in der frühneuzeitlichen Philo-
sophie namentlich bei Descartes, Leibniz und Locke virulenten Problematik
der angeborenen Ideen statt (Schneider 1882, 50-75). Das Resume lautete: „Auf
die in der Geschichte der Philosophie so vielfach erörterte Frage, ob es ange-
borne Vorstellungen bezüglich angeborne Grundsätze giebt oder nicht, haben
wir, um das Vorhergehende noch einmal zusammenzufassen, folgendes zu ant-
worten: Aller Erfahrung nach werden zwar keine fertigen Vorstellungen und
Grundsätze als solche durch Vererbung übertragen; aber es vererbt sich nicht
nur die Fähigkeit, Vorstellungen und Grundsätze zu bilden, sondern es werden
auch 1) die Beziehungen zwischen den Vorstellungen unter sich, 2) die Bezie-
hungen der /75/ Wahrnehmungen und Vorstellungen zu den entsprechenden
Gefühlen und Trieben überhaupt, 3) die Beziehungen der Triebe zu den Hand-
lungen resp. den Muskelcontractionen und 4) die relative Stärke aller dieser
Beziehungen, durch welche in jedem Falle die Wahl bestimmt wird, in einer