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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0109
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Stellenkommentar JGB 3, KSA 5, S. 17 89

und dort die einschlägige Definition mit einem „ja!“ am Rand glossiert: „Ande-
rerseits sind die bewunderungswürdigsten Functionen des menschlichen Geis-
tes, sittlicher Tact und künstlerisches Genie, mit dem Instinct der Thiere we-
sentlich einerlei, nur graduell von ihm verschieden mit ihm offenbar unter das-
selbe Genus gehörig, nämlich, wie er anscheinend Ausflüsse einer höheren
Inspiration. Instinct, Tact, Genie kommen darin überein, daß sie unüber-
legt das Richtige und Angemessene fühlen, wollen und thun; sie bestehen
in der Fähigkeit, ohne Vorbedacht, ohne Erfahrung und Einübung, ohne
Reflexion und Prämeditation, ohne Schwanken, Zweifeln und Hin- und Her-
erwägen sofort den Nagel auf den Kopf zu treffen.“ (Liebmann 1880, 410. N.s
Unterstreichungen, mehrere Randstriche von seiner Hand). Auch Espinas 1879,
183 entwirft eine „Theorie des Instincts“.
17, 21-24 ebenso wenig ist „Bewusstsein“ in irgend einem entscheidenden Sinne
dem Instinktiven entgegengesetzt, — das meiste bewusste Denken eines
Philosophen ist durch seine Instinkte heimlich geführt und in bestimmte Bahnen
gezwungen] Vgl. NK 17, 15-17.
17,18-21 wie man in Betreff der Vererbung und des „Angeborenen“ umgelernt
hat. So wenig der Akt der Geburt in dem ganzen Vor- und Fortgänge der Verer-
bung in Betracht kommt] „Umgelernt“ hat man dank der Evolutionstheorie, die
die gattungsgeschichtliche Bedingtheit scheinbar feststehender Merkmale he-
rausstellt. Seine entsprechenden Informationen bezog N. beispielsweise aus
der Monographie Der menschliche Wille vom Standpunkte der neueren Entwick-
lungstheorien von Georg Heinrich Schneider. Dort wurde nicht nur die von
Charles Darwin bestimmte Vererbungslehre erörtert - und mit ihr die Irrele-
vanz des Geburtsaktes für die Vererbung deutlich gemacht -, sondern es fand
eine ausführliche Auseinandersetzung mit der in der frühneuzeitlichen Philo-
sophie namentlich bei Descartes, Leibniz und Locke virulenten Problematik
der angeborenen Ideen statt (Schneider 1882, 50-75). Das Resume lautete: „Auf
die in der Geschichte der Philosophie so vielfach erörterte Frage, ob es ange-
borne Vorstellungen bezüglich angeborne Grundsätze giebt oder nicht, haben
wir, um das Vorhergehende noch einmal zusammenzufassen, folgendes zu ant-
worten: Aller Erfahrung nach werden zwar keine fertigen Vorstellungen und
Grundsätze als solche durch Vererbung übertragen; aber es vererbt sich nicht
nur die Fähigkeit, Vorstellungen und Grundsätze zu bilden, sondern es werden
auch 1) die Beziehungen zwischen den Vorstellungen unter sich, 2) die Bezie-
hungen der /75/ Wahrnehmungen und Vorstellungen zu den entsprechenden
Gefühlen und Trieben überhaupt, 3) die Beziehungen der Triebe zu den Hand-
lungen resp. den Muskelcontractionen und 4) die relative Stärke aller dieser
Beziehungen, durch welche in jedem Falle die Wahl bestimmt wird, in einer
 
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