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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0117
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Stellenkommentar JGB 4, KSA 5, S. 18 97

legung der Erfahrung aus ihr gewonnen sind. / [...] Die bisherigen
Auslegungen hatten alle einen gewissen Sinn für das Leben / erhaltend, erträg-
lich machend oder entfremdend, verfeinernd, auch wohl das Kranke separi-
rend und zum Absterben bringend / meine neue Auslegung giebt den zukünfti-
gen Philosophen als Herrn der Erde die nöthige Unbefangenheit.“ (KSA 11, 633,
9-25, hier korrigiert nach KGW IX 4, W I 7, 72, 12-40, vgl. auch NL 1885, KSA
11, 34[249], 505, entspricht KGW IX 1, N VII 1, 5f., u. NL 1885, KSA 11, 43[1],
699, 1-14.) Der von N. zitierte Passus lautet im Original: „Sobald wir einsehen,
dass es zu dem Wesen des Subjects gehört, den in ihm vorkommenden Inhalt
auf Gegenstände zu beziehen, nach der Beschaffenheit desselben über das Da-
sein und die Natur der Gegenstände Urtheile, nicht allein unmittelbar, sondern
auch mittelbar, durch Schlüsse, zu bilden, — wird es klar, dass die Gesetze des
erkennenden Subjects selbst eine nothwendige Beziehung auf die Gegenstände
und deren Auffassung impliciren, dass dieselben eben nichts Anderes sein
können, als allgemeine Principien von Affirmationen über Gegenstände, d.h.
eine innere Nothwendigkeit, etwas von Gegenständen zu glauben. Solcher Art
Gesetze nennt man logische Gesetze und dieselben sind von den objectiven,
physischen Gesetzen, zu welchen auch die Gesetze der Association gehören,
dem innersten Wesen nach verschieden.“ (Spir 1877, 1, 76. Doppelte Anstrei-
chung N.s am rechten Rand.) Inwiefern das Subjekt die wahre „Natur der Ge-
genstände“ abzubilden in der Lage ist, bleibt bei Spir offen. N. radikalisiert
dies in NL 1885, KSA 11, 40[12] sowie in JGB 4, indem er dem erkennenden
Urteil zumindest hypothetisch (vgl. NK 18, 13-16) Falschheit unterstellt und
das Erkennen von Lebensbedürfnissen abhängig macht.
18,12 f. ohne ein Messen der Wirklichkeit an der rein erfundenen Welt des Unbe-
dingten] Vgl. die in NK 18, 11 f. mitgeteilte Aufzeichnung NL 1885, KSA 11,
40[12], 633 (entspricht KGW IX 4, W I 7, 72), die dem „Unbedingten“ fiktiv-
regulativen Charakter zuschreibt und sich damit gegen die metaphysische Tra-
dition und gegen die N. geläufige, zeitgenössische Logik gleichermaßen stellte.
18,13-16 ohne eine beständige Fälschung der Welt durch die Zahl der Mensch
nicht leben könnte, — dass Verzichtleisten auf falsche Urtheile ein Verzichtleisten
auf Leben, eine Verneinung des Lebens wäre] Um das Leben nicht nihilistisch
zu verneinen, scheint es also notwendig, sich an falsche Urteile zu halten -
zumindest ist das sprechende „Wir“ dies „grundsätzlich geneigt zu behaupten“
(18, 11). Woher man freilich wissen kann, dass diese Urteile falsch sind, wenn
man über keinen Metastandpunkt verfügt, sondern immer an die wirklichkeits-
verfälschende Perspektive der menschlichen Spezies gebunden ist, bleibt of-
fen. Entsprechend bleibt die Behauptung des „Wir“ auch im Modus der Hypo-
these. Dass selbst die Arithmetik („Fälschung der Welt durch die Zahl“) nur
 
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