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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0130
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110 Jenseits von Gut und Böse

zung von Christian August Borheck lautet: „Er [sc. Epikur] nannte [...] Platons
Anhänger, Dionysschmeichler, und Platon selbst, den goldenen“ (Diogenes
Laertius 1807, 2, 237). Gewöhnlich heißt es in den griechischen Ausgaben:
„toüc; te ncpi HAaTmva AiovvooKoAaKaq Kai avTov nXaTtova xpuoovv“. Statt
AtovuaoKoAaKac; liest N. AiovumoKoAaKac;, also mit einem zusätzlichen Iota, so
dass er die Anspielung direkt auf Dionysios II. (ca. 396-337 v. Chr.) beziehen
kann, der als Tyrann von Syrakus Platon als Berater an seinen Hof holte. Bei
der Lesart AiovuoioKoAaKac; anstelle von AtovuaoKoAaKac; handelt es sich frei-
lich nicht um eine Emendation N.s, sondern um eine in der von ihm für seine
Laertiana rege benutzten, kritischen Ausgabe von Heinrich Gustav Hübner be-
legte Variante (Diogenes Laertius 1828-1831, 2, 446). Diese philologischen Zu-
sammenhänge sind auch philosophisch ambitionierten JGB-Interpreten nicht
bekannt, siehe z. B. Lampert 2001, 33 f.
Die Behauptung in 21, 8f., dass es sich bei „Dionysokolax“ um eine „popu-
läre Bezeichnung des Schauspielers“ gehandelt habe, blendet aus, dass dieser
Begriff überhaupt erst zur Bezeichnung der entsprechenden Künstler im Um-
kreis von Dionysios II. geprägt worden ist: „Von den niedrigen Schmeicheleien,
zu welchen sich die Umgebung des jüngeren Tyrannen dieses Namens herbei-
liess, hat Theophrast [...] berichtet. Spöttisch sind die dionysischen Künstler
([...]), welche an diesem Hof verkehrten, demnächst wohl auch die übrigen
(piAoi [...] des Fürsten AiovuooKoAaKEc; genannt worden.“ (Ribbeck 1883, 83.
Dazu Fn. 3: „Aristoteles rhet. III 2 p. 1405, 23 [...]. Diesen Spottnamen übertrug
Epikur auf die Schüler Platons bei Laertius Diogenes X 8 [...]. Hatten doch auch
jene syrakusischen Höflinge in der That Interesse für Platonische Philosophie
geheuchelt, so lange sie bei dem Tyrannen in Gnaden stand.“ Vgl. auch Athe-
naios: Deipnosophistai VI 249f und X 486e.) N. spricht in seiner Basler Vorle-
sung Der Gottesdienst der Griechen von „Vereine[n] der dionys. Künstler oi ncpi
tov Aiovuoov TEXViTai (scherzweise AiovuaoKoAaKECjD]“ und ergänzt: „Der Mo-
ment, wo die Ausübung der Kunst Bedingung des Lebensunterhaltes wird, ist
der Wendepunkt in der griech. Schauspielkunst: eine Fluth von Künstlern
kommt heran, gemischt mit Jongleurs Zauberern Wunderthätern: den Heeren
Alexanders folgte eine unzählbare Menge der Art, als ÄÄE^avöpoKoAaKEc;, um
den sie sich wie um einen neuen Dionysos schaarten (so hatten die Athener
ihn [Diogenes] La[ertius] VI 63 genannt)“ (KGW II 5, 500).
N., dessen Texte das Artistische und das Schwindlerische an Platon zu be-
tonen pflegen (vgl. z. B. NK KSA 6, 155, 16-21 u. NK KSA 6, 155, 31-156, 1),
konnte sich in der Kritik wiederfinden, die Epikur an Platon und den Platoni-
kern als Schauspielern und hündischen Schmeichlern geübt haben soll. Ihre
besondere Spitze bekommt Epikurs Kritik dadurch, dass sie Platon dem anver-
wandelte, „was er selbst am meisten verachtete“: dem „Schauspielerische[n]“,
 
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