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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0132
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112 Jenseits von Gut und Böse

oder Stein (mit aufgerichtetem Phallos) in den Gärten aufzustellen.“ (Meyer
1885-1892, 13, 384) Die von N. angeregte und in ihrer Entstehung begleitete
Sainte-Beuve-Übersetzung Ida Overbecks schließt mit einem Hinweis darauf,
dass es bei Beaumarchais „immer ein geheimes Cabinet geben“ müsse, „in wel-
ches das Publikum nie eintreten wird. Im Grunde sind seine Götter Plutus und der
Gartengott, und dieser Letzte behauptet sich sehr fest bis zum letzten Tage.“
(Sainte-Beuve 1880, 282, Fn.) Die späte Einfügung des Gartengottes in JGB 7,
der in der ersten Fassung von KGW IX 5, W I 8, 153, 10-30 noch fehlte, schlägt
aufgrund des mit ihm verbundenen Eselskultes auch einen gedanklichen Bo-
gen zu JGB 8, wo der Esel direkt in Erscheinung tritt. Schließlich ist erwähnens-
wert, dass der „Übermensch“ an zwei Nachlassstellen als „epikurischer Gott“
charakterisiert wird (NL 1883, KSA 10,16[85], 529, If. u. NL 1885, KSA11, 35[73],
541, 9 f., entspricht KGW IX 4, W13, 69,18-24). Zum Garten Epikurs bei N. siehe
auch Shapiro 2013, 83 f., ferner NK 42, 26-43, 2.
8.
21,19-23 In jeder Philosophie giebt es einen Punkt, wo die „Überzeugung“ des
Philosophen auf die Bühne tritt: oder, um es in der Sprache eines alten Mysteri-
ums zu sagen: / adventavit asinus / pulcher et fortissimus.] Das lateinische Zitat
bedeutet übersetzt: „angekommen ist der Esel / schön und sehr stark.“ Notiert
hatte N. es sich bereits in NL 1884, KSA 11, 26[466], 274, 10-12, ergänzt dort
um das Wort „Mysterium“ auf einer neuen Zeile. In seinem Brief an Carl
von Gersdorff vom 09. 05.1885 kommentierte N. den dem Adressaten kurz da-
vor geschickten, privat gedruckten 4. Teil von Also sprach Zarathustra und be-
endete den Brief vor den Grußformeln mit den beiden lateinischen Zeilen (mit
einem imperfektischen „adventabat“ statt dem perfektischen „adventavit“), zu
denen es vorab heißt: „Ein schönes Motto aus einem alten Mysterium ist mir
eingefallen“ (KSB 7/KGBIII/3, Nr. 601, S. 51, Z. 28 f.). Dieses „Motto“ sollte Gers-
dorff offensichtlich auf Za IV mit seinem Kapitel „Das Eselsfest“ beziehen
(KSA 4, 390-394, vgl. ausführlich Salaquarda 1972). Tatsächlich entspricht die
Szene dieses Kapitels in ihrer Anlage und ihrem blasphemischen Kult weitge-
hend dem in diversen Überlieferungen belegten mittelalterlichen Eselsfest (vgl.
Higgins 2004, 104 f.), das es mit den von N. zitierten Versen beispielsweise
auch in Voltaires Dictionnaire philosophique (s. v. äne) oder in Jules Michelets
Histoire de France (Michelet 1833, 2, 656) gibt. Die Forschung pflegt N.s Adapti-
on auf einen Artikel „Das Eselsfest“ in Georg Christoph Lichtenbergs Göttinger
Taschenkalender von 1779 zurückzuführen, der sich in dessen Vermischten
Schriften findet. N. besaß diese, ohne hier freilich eine Lesespur zu hinterlas-
sen: „Zum Gedächtniß der Flucht der Jungfrau Maria nach Ägypten, suchte
 
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