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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0192
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172 Jenseits von Gut und Böse

von Erkenntnis jede Art derselben relational ist, also nur in einer dynamischen
Beziehung von Erkennendem und Erkanntem zustande kommt, die beide im
Augenblick des Erkennens an einen bestimmten Standort gebunden sind, so
dass es keine „absolute Erkenntniss“ geben kann, ebensowenig eine „unmittel-
bare“, nicht vermittelte Gewissheit oder Einsicht in ein „Ding an sich“. Teich-
müller 1884, 2, 237 meinte, Platon habe „die Aufgabe der über Sokrates hinaus-
gehenden, auf absolute Erkenntniss gerichteten Forschung“ gestellt, während
N. bei Schmitz-Dumont Schützenhilfe für ein relationalistisches Erkenntnis-
konzept sowie für die Kritik am „Ding an sich“ finden konnte: „Die Individuali-
tät der Dinge des Realisten ist also ein ganz relativer Begriff, abhängig von der
Organisation des anschauenden Individuums nicht minder als von den Eigen-
schaften der Dinge. Und wer verbürgt uns, dass es nicht Organe der Empfin-
dung geben kann, welche ebenso wenig den uns bekannten fünf Sinnen etwas
analoges haben, wie grün mit sauer? [...] Daraus geht schon hervor, dass von
Dingen an sich ebensowenig in dem realistischen Sinne, wie in dem von Platon
und Kant geredet werden kann, ganz abgesehen davon, dass das ,Ding an sich4
ein widerspruchsvoller Begriff ist, weil nur dadurch ein Etwas zum Ding wird,
dass es für ein Anderes da ist.“ (Schmitz-Dumont 1881,162. N.s Unterstrei-
chungen, Randanstreichungen von seiner Hand).
30, 2-10 dass ich es bin, der denkt, dass überhaupt ein Etwas es sein muss,
das denkt, dass Denken eine Thätigkeit und Wirkung seitens eines Wesens ist,
welches als Ursache gedacht wird, dass es ein „Ich“ giebt, endlich, dass es be-
reits fest steht, was mit Denken zu bezeichnen ist, — dass ich weiss, was Den-
ken ist. Denn wenn ich nicht darüber mich schon bei mir entschieden hätte, wo-
nach sollte ich abmessen, dass, was eben geschieht, nicht vielleicht „Wollen“
oder „Fühlen“ sei?] Vgl. NK 30,19-22. JGB 16 nimmt hier Teichmüllers Kritik an
einer vereinseitigenden, intellektualistischen Sicht des Ich auf, wie sie in der
philosophischen Tradition vorherrschte. „Nun ist das Ich aber auch wollend
und bewegend und fühlend, und nichts hiervon lässt sich in blosse Erkennt-
niss auflösen. [...] Die denkende Thätigkeit ist aber nur Eine Function des Ichs
und das sich denkende Ich ist nicht das wollende oder bewegende Ich. Indem
wir daher hier klar und deutlich das Ich von seinem Begriffe unterscheiden,
brechen wir mit dem ganzen Idealismus von Plato an bis Hegel; denn alle Idea-
listen begingen den Fehler, die Eine Function des Denkens zur einzigen zu
machen, in welche /105/ sich schliesslich alles Reale verflüchtigen sollte.“
(Teichmüller 1882, 104 f.) Teichmüller stellte den „natürliche[n] Instinct“ he-
raus, „das Wollen und Fühlen und die reale Bewegung gegen die Arroganz des
Gedankens zu vertheidigen“ (ebd., 105). Jedoch beließ er es nicht bei dieser
Disparatheit der verschiedenen Iche, sondern rekurrierte auf „einen inneren
Sinn“, der das „Bewusstsein von unserem Bewegen, Wollen und Fühlen“ sei,
 
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