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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0203
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Stellenkommentar JGB 19, KSA 5, S. 31 183

eine Art Gewohnheit sobald wir,wollen4 sein Spiel beginnt. Wie also das Gefühl
und zwar vielerlei Fühlen als Ingrediens des Willens anzuerkennen ist, so
zweitens auch noch das Denken: in jedem Willensakte commandirt ein Ge-
danke, — und man soll ja nicht glauben, diesen Gedanken von dem Wollen
selber abscheiden zu können, wie als ob dann noch Wollen übrig bliebe. Drit-
tens ist der Wille nicht nur ein Complex von Fühlen und Denken, sondern vor
Allem noch ein Affect: und zwar jener Affect des Commandos. Das was Frei-
heit des Willens genannt wird, ist wesentlich das Überlegenheits-Gefühl in
Hinsicht auf den der gehorchen muß: ,ich bin frei, er muß gehorchen4 — dieß
Bewußtsein steckt in jedem Willen, und eben jene Spannung der Aufmerksam-
keit, jener klare Blick, der ausschließlich Eins ins Auge faßt, jene ausschließli-
che Werthschätzung ,jetzt thut dieß Noth und nichts anderes4, jene innere Ge-
wißheit darüber, daß gehorcht wird, wie dieß Alles zum Zustande des Befeh-
lenden gehört. Ein Mensch der will —, befiehlt einem Etwas in sich, das
gehorcht, oder von dem er glaubt daß es gehorchen wird. Nun aber beachte
man, was das Wesentlichste am ,Willen4 ist, an diesem so complicirten Dinge,
für welches das Volk Ein Wort hat. Insofern wir im gegebenen Falle zugleich
die Befehlenden und Gehorchenden sind und als Gehorchende die Gefühle des
Widerstehens, Drängens, Drückens, Bewegens kennen, welche sofort nach
dem Akte des Willens zu beginnen pflegen; insofern wir aber die Gewohnheit
haben mit dem synthetischen Begriff ,Ich4 uns über diese Zweiheit hinweg zu
setzen, hinweg zu täuschen, hat sich an das Wollen noch eine ganze
Kette von irrthümlichen Schlüssen und folglich von falschen Werthschätzun-
gen des Willens selber angehängt: — so daß der Wollende in gutem Glauben
glaubt, sein Wille selber sei zur gesamten Aktion das eigentliche und ausrei-
chende mobile. Und weil in den allermeisten Fällen nur gewollt worden ist,
wo auch die Wirkung des Befehls, der Gehorsam, also die Aktion erwartet wer-
den durfte, so hat sich der Anschein in das Gefühl übersetzt, als ob es da eine
Nothwendigkeit der Wirkung gäbe: genug, der Wollende glaubt, mit einem
ziemlichen Grade von Sicherheit, daß der Wille und die Aktion irgendwie Eins
seien — er rechnet das Gelingen der Ausführung des Willens noch dem Willen
selber zu und genießt dabei einen Zuwachs jenes Machtgefühls, welches alles
Befehlen mit sich bringt. »Freiheit des Willens4: das ist das Wort für jenen sehr
gemischten Zustand des Wollenden, der befiehlt und zugleich als Ausführen-
der den Triumph der Überlegenheit über Widerstände genießt, der aber ur-
theilt, der Wille selber überwinde die Widerstände: — er nimmt die Lustgefühle
des ausführenden erfolgreichen Werkzeugs — des dienstbaren Willens und Un-
terwillens — zu seinem Lustgefühle als Befehlender hinzu. — Dieses verflochte-
ne Nest von Gefühlen, Zuständen und falschen Annahmen, welches vom Volk
mit Einem Worte und wie Eine Sache bezeichnet wird, weil es plötzlich und
 
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