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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0206
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186 Jenseits von Gut und Böse

zur Schau gestellt und sich vom gemeinen Volk - auch vom gemeinen Volk
der Philosophen - durch einen unüberwindlichen Graben getrennt glaubte.
Andererseits argumentierte er im Blick auf die Bekanntheit des Willens gerade
mit dem allgemeinen Konsens - dass also jedem Mensch sein Wille ursprüng-
lich bekannt sei, so dass er den Einwand leicht machte, diese angebliche Be-
kanntheit sei nur ein „Volks-Vorurtheil“.
32, 4-7 Wollen scheint mir vor Allem etwas Complicirtes, Etwas, das nur
als Wort eine Einheit ist, — und eben im Einen Worte steckt das Volks-Vorurtheil,
das über die allzeit nur geringe Vorsicht der Philosophen Herr geworden ist]
Bereits ein Dutzend Jahre vor JGB in der Vorbereitungsphase einer Schopen-
hauer-Schrift, aus der später UB III SE erwachsen sollte, machte N. auf die
Komplexität des Willens aufmerksam: „Der Wille objektivirt sich nicht ad-
äquat, wie Schopenhauer sagt: so scheint es, wenn man von den vollendets-
ten Formen ausgeht. / Auch dieser Wille ist ein höchst complicirter Letzter
in der Natur.“ (NL 1872/73, KSA 7, 19[132], 461, 23-27). Später wurden diese
Überlegungen dann in FW 127, KSA 3, 482, 14-28 (sowie in M 6) fortgeführt,
und zwar auch unter dem Eindruck von Johann Julius Baumanns Handbuch
der Moral: „Der Wille - das steht uns fest - ruft ursprünglich nichts hervor“
(Baumann 1879, 74).
32, 7-22 Seien wir also einmal vorsichtiger, seien wir „unphilosophisch“ —, sa-
gen wir: in jedem Wollen ist erstens eine Mehrheit von Gefühlen, nämlich das
Gefühl des Zustandes, von dem weg, das Gefühl des Zustandes, zu dem hin,
das Gefühl von diesem „weg“ und „hin“ selbst, dann noch ein begleitendes Mus-
kelgefühl, welches, auch ohne dass wir „Arme und Beine“ in Bewegung setzen,
durch eine Art Gewohnheit, sobald wir „wollen“, sein Spiel beginnt. Wie also
Fühlen und zwar vielerlei Fühlen als Ingredienz des Willens anzuerkennen ist, so
zweitens auch noch Denken: in jedem Willensakte giebt es einen commandiren-
den Gedanken; — und man soll ja nicht glauben, diesen Gedanken von dem „Wol-
len“ abscheiden zu können, wie als ob dann noch Wille übrig bliebe! Drittens ist
der Wille nicht nur ein Complex von Fühlen und Denken, sondern vor Allem noch
ein Affekt: und zwar jener Affekt des Commando’s.] Die Klarheit dieser Diffe-
renzierung des Wollens in die Ingredienzien des Fühlens, Denkens und Affek-
tes ist nur eine scheinbare, geht sie doch gleichermaßen von einem „Volks-
Vorurtheil“ (32, 3) aus wie die Vorstellung, der Wille sei eine einfache und
ursprüngliche Einheit. Denn dass „Fühlen“, „Denken“ oder „Affekt“ klar be-
stimmte, einfache Entitäten sind, dürfte den Lesern der vorangegangenen Ab-
schnitte von JGB vermutlich wenig wahrscheinlich erscheinen. Überdies: Wie
soll die Differenz zwischen „Affekt“ und „Gefühl“ bestimmt werden - wobei
der Affekt in dieser Rekonstruktion ja wiederum engstens mit dem „commandi-
 
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