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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0207
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Stellenkommentar JGB 19, KSA 5, S. 32 187

renden Gedanken“ versippt ist und also auch nichts Distinktes zu sein scheint?
Die Differenzierungen, so problematisch sie im einzelnen sind, zeigen nicht, in
welche Einzelelemente sich das Wollen auflösen lässt, sondern dessen dynami-
sche Komplexität: Wollen erweist sich als Bewegung mit verschiedenen emoti-
onalen, intellektuellen und affektiven Aspekten - und, wie der Fortgang von
JGB 19 mit der Explikation mittels Befehl und Gehorsam nahelegen wird, als
ein Kampf widerstrebender Interessen in einem sogenannten Individuum. Hat-
te Wilhelm Roux in dem von N. eingehend studierten Buch den Kampf der
Theile im Organismus (1881, vgl. Müller-Lauter 1978, im Blick auf JGB Heit
2014c, 36 f.) beschrieben, verlagert JGB 19 diesen Kampf in den Willen selbst,
der als Ausdruck einer von Kampf gezeichneten Physis entgegen dem landläu-
figen Vorurteil keine widerspruchsfreie Einheit bildet, sondern durch ein „hin“
und „weg“ charakterisiert ist. Dass es N. keineswegs darum zu tun war, einen
kohärenten Willensbegriff zu entfalten, zeigt sich etwa im Vergleich von JGB
19 mit AC 14, wo zur Bestimmung des Wollens weder Gefühl, Denken noch
Affekt in Anschlag gebracht werden. Stattdessen hält „das alte Wort ,Wille“4
hier nur noch zur Bezeichnung einer „Resultante“ unterschiedlicher „Reize“
her, wobei unmittelbar ein neuer Lektüreeindruck verarbeitet wird, nämlich
aus Charles Feres Degenerescence et criminalite (1888, 98 f.), siehe NK KSA 6,
180, 24-28.
In der Engführung von Denken und Willen ist die Nähe zu der von N. eifrig
rezipierten Esquisse d’une morale sans Obligation ni sanction von Jean-Marie
Guyau offenkundig: „On a donc trop distingue la volonte de l’intelligence, de
teile sorte qu’on a ensuite eprouve le besoin de mouvoir exclusivement la vo-
lonte au moyen de mobiles sensibles. Mais les mobiles exterieurs n’ont pas ä
intervenir aussi longtemps que suffit le mecanisme interne de la pensee et de
la vie. On peut dire que la volonte n’est qu’un degre superieur de l’intelligence,
et l’action un degre superieur de la volonte.“ (Guyau 1885, 29. „Man hat also
den Willen zu scharf vom Vorstellungsleben geschieden, so daß man schließ-
lich dazu kam, ihn allein als durch sinnliche Gefühlsantriebe beeinflußbar hin-
zustellen. Aber äußere Antriebe sollen nicht in Anwendung kommen, solange
der innere Mechanismus des Denkens und des Lebens genügt. Man kann sa-
gen, daß Wollen nur ein höheres Denken, daß Handeln nur ein höheres Wollen
ist.“ Guyau 1909, 126. N. hat den unmittelbar darauf folgenden Abschnitt mar-
kiert, vgl. ebd., 291.) Zur zeitgenössischen Relevanz des Muskelbegriffs siehe
Treiber 1998b.
32, 22-31 Das, was „Freiheit des Willens“ genannt wird, ist wesentlich der Über-
legenheits-Affekt in Hinsicht auf Den, der gehorchen muss: „ich bin frei, „er“
muss gehorchen“ — dies Bewusstsein steckt in jedem Willen, und ebenso jene
Spannung der Aufmerksamkeit, jener gerade Blick, der ausschliesslich Eins fixirt,
 
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