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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0226
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206 Jenseits von Gut und Böse

ohne tiefere Prüfung und Vergleichung, ohne wirklichen Ernst und Aufrichtig-
keit, weder überzeugt noch überzeugend, nicht einmal in sich correct gedacht;
Ausflüsse von Stimmungen die die Wissenschaften und Philosophie gar nichts
angehen, und eines wohlfeilen Hochmuthes“ (KGB III 7/2, Nr. 37, S. 501).
Demgegenüber scheinen moderne Interpreten weniger Anstößiges in JGB
22 zu finden: Karl Jaspers notierte zusammenfassend zu JGB 22 am Rand
schlicht: „Alles Interpretation“ (Nietzsche 1923, 34). Dellinger 2013b, 173-175
rückt den Abschnitt in engen Zusammenhang mit JGB 21 und sieht die hier
angebotenen, alternativen Deutungen der Natur entweder als egalitär-naturge-
setzlich oder aber als durch chaotisches Machtstreben bestimmt, „nicht als
neutrale deskriptive Propositionen, sondern als normative Interessen und per-
sönliche Dispositionen verratende Vorurteile“4 (ebd., 175. Auf die in JGB 22 vi-
rulenten Subversionsstrategien geht Dellinger 2012b, 320 f. ein, vgl. auch schon
Babich 1994, 41-44). JGB 22 stellt in den Arbeiten von Wolfgang Müller-Lauter
einen locus probans für die Pluralität des Willens zur Macht dar, obwohl dieser
Wille in JGB 22 nur im Singular vorkommt. Auch Clark/Dudrick 2012, 223-229
wollen JGB 22 als starkes Angebot N.s gedeutet sehen, die physische Realität
als Wille zur Macht zu verstehen: „Nietzsche presents will to power not as a
power physics, that is, as an alternative to physics, but as an alternative to a
particular interpretation of physics, of the lawlike generalizations he grants
physics discovers about the course of nature“ (Clark/Dudrick 2012, 224, kritisch
dazu Heit 2014d, 39 f.). Reuter 2014, 103 konstatiert, N. habe in JGB 22 seine
„vollkommen neue Auslegung der Welt durch den Willen zur Macht“ „auf einer
Überwindung mechanistischer Prämissen“ gründen wollen.
37, 2-13 Man vergebe es mir als einem alten Philologen, der von der Bosheit
nicht lassen kann, auf schlechte Interpretations-Künste den Finger zu legen: aber
jene „Gesetzmässigkeit der Natur“, von der ihr Physiker so stolz redet, wie als
ob-besteht nur Dank eurer Ausdeutung und schlechten „Philologie“, — sie
ist kein Thatbestand, kein „Text“, vielmehr nur eine naiv-humanitäre Zurechtma-
chung und Sinnverdrehung, mit der ihr den demokratischen Instinkten der moder-
nen Seele sattsam entgegenkommt! „Überall Gleichheit vor dem Gesetz, — die
Natur hat es darin nicht anders und nicht besser als wir“: ein artiger Hinterge-
danke, in dem noch einmal die pöbelmännische Feindschaft gegen alles Bevor-
rechtete und Selbstherrliche] AC 52 will dann die Philologie als allgemeine
„Kunst“ verstanden wissen, die direkt „Thatsachen ablesen“ kann und sie
nicht „durch Interpretation“ fälscht. Auch dort lebt die Argumentation vom
Gegensatz zwischen Text und Interpretation (vgl. ausführlich NK KSA 6, 233,
17-24), ungeachtet des Umstandes, dass „Text“ für die akademische Philologie
des 19. Jahrhunderts nichts einfach Gegebenes, sondern etwas durch Textkritik
erst Konstituiertes war (vgl. Benne 2005,14 f., zu N.s anhaltend partiell philolo-
 
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