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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0306
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286 Jenseits von Gut und Böse

gung einer zeitgemässen Philosophie finden, die ,,jede[r] Wissenschaft“ „die
Aufgabe“ zuweist, „den intelligiblen Charakter der Dinge zu erforschen“ (Noire
1875, 86. N. hat Noires Buch freilich schon 1875 an seinen Buchhändler retour-
niert, siehe NPB 718). Vgl. NK KSA 5, 364, 17-23.
37.
56, 2-5 „Wie? Heisst das nicht, populär geredet: Gott ist widerlegt, der Teufel
aber nicht —?“ Im Gegentheil! Im Gegentheil, meine Freunde! Und, zum Teufel
auch, wer zwingt euch, populär zu reden! —] Im Nachlass gibt es seit 1885 meh-
rere Aufzeichnungen, die das Motiv von JGB 37 variieren. Die erste überlieferte
Version steht im Entwurf einer „Vorrede“ zum Buchprojekt Der Wille zur Macht
(vgl. Montinari 1982, 99); sie handelt zunächst von den anhaltenden Naivitäten
im menschlichen Selbstbild der Gegenwart und plädiert dafür „den Versuch
einer völlig verschiedenen Ausdeutungsweise zu machen: damit durch
einen erbitterten Widerspruch begriffen werde, wie sehr unbewußt unser
moral. Kanon (Vorzug von Wahrheit, Gesetz, Vernünftigkeit usw) in unse-
rer ganzen sog. Wissenschaft regirt. / Populär ausgedrückt: Gott ist
widerlegt, aber der Teufel nicht: und alle göttlichen Funktionen gehören mit
hinein in sein Wesen: das Umgekehrte gieng nicht! / Er täuscht, er schafft täu-
schende Intellekte / Er zerstört mit Vorliebe / Er verdirbt, indem er die Besten
antreibt zur höchsten Veredelung / Im Walde: er läßt seine Unschuld anbeten /
Zuletzt: warum hassen wir ein solches Wesen?“ (NL 1885, KSA 11, 39[14], 625,
13-28, entspricht KGW IX 2, N VII 2, 182, 6-38) Gleich anschließend steht in
einer weiteren, für die „Einleitung“ gedachten Aufzeichnung: „In wiefern mit
,Gott‘ auch die bish. Moral weggefallen ist: sie hielten sich gegenseitig. / Nun
bringe ich eine neue Auslegung, eine »unmoralische4, im Verhältniß zu der un-
sere bisherige Moral als Spezialfall erscheint. Populär geredet: Gott ist wider-
legt, der Teufel nicht.“ (NL 1885, KSA 11, 39[15], 626, 12-16, entspricht KGW IX
2, N VII 2, 179, 34-44) Eine letzte Fassung steht in NL 1885/86, KSA 12, l[110],
36,17-22, hier korrigiert nach KGW IX 2, N VII2,126, 24-32: „Gott ist widerlegt,
der Teufel nicht. Für hellsichtige und mißtrauische Augen, welche tief genug
in die Hintergründe zu blicken wissen, ist das Schauspiel des Geschehens kein
Zeugniß weder von Wahrhaftigkeit noch väterlicher Fürsorge oder überlegener
Vernünftigkeit; weder etwas Vornehmes, noch etwas Reines u. Unschuldiges
Treusinniges.“ (Vgl. auch NK 78, 21-23.) In diesen Aufzeichnungen verdichtet
sich in der Figur des Teufels das von der traditionellen Moral Tabuisierte, dem
das sprechende Ich - in die Rolle des Satans im ursprünglichen hebräischen
Sinn CjütT), nämlich als Ankläger, und zwar der herkömmlichen Wertpräferen-
zen, sowie in die Rolle des diabolischen Versuchers schlüpfend - nun Nachhall
 
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