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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0338
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318 Jenseits von Gut und Böse

zeitgleich entstandenen Fünften Buchs der Fröhlichen Wissenschaft (KSA 3,
586). Die protestantische Empörung wird in FW 358, KSA 3, 602-605 noch brei-
ter dargestellt, wobei dort die katholische Kirche als Erbin des Römischen Im-
periums und nicht als seine Antagonistin erscheint (vgl. M 207, KSA 3,185-188
u. Orsucci 1996, 281-284). Eine Vorstufe zu JGB 46 findet sich in KGW IX 5, W
I 8, 197.
66,15-18 inmitten einer skeptischen und südlich-freigeisterischen Welt, die ei-
nen Jahrhunderte langen Kampf von Philosophenschulen hinter sich und in sich
hatte, hinzugerechnet die Erziehung zur Toleranz, welche das imperium Roma-
num gab] Dieses Bild von einer freigeistig-skeptischen und daher toleranten
römischen Gesellschaft vor dem Auftreten des Christentums wird im Verlauf
von JGB 46 noch stärker sozialgeschichtlich akzentuiert, wenn von Roms „vor-
nehme[r] und frivole[r] Toleranz“ (67, 12) die Rede ist sowie von der „Freiheit
vom Glauben“, ,,jene[r] halb stoische[n] und lächelnde[n] Unbekümmertheit
um den Ernst des Glaubens, was die Sklaven an ihren Herrn, gegen ihre Herrn
empört hat“ (67, 14-17). Wenn JGB 46 von einer „skeptischen“ „Welt“ spricht,
dann ist weniger der antike Pyrrhonismus, d. h. die radikale skeptische Philo-
sophie gemeint (vgl. dazu Sommer 2006a), die nie eine gesellschaftliche Brei-
tenwirkung entfaltet hat, sondern vielmehr eine allgemeine Tendenz der rö-
mischen Gesellschaft. In NL 1880, KSA 9, 3[104], 75, 24 f. wird in Klammern
bemerkt: „die Römer, wie alle Südländer, waren im Glauben lässig oder skep-
tisch, und nahmen nur die Gebräuche streng“. Orsucci 1996, 284 f. macht dafür
William Edward Hartpole Leckys Sittengeschichte Europas als Quelle aus, wo
es u. a. heißt: „Auch in Rom hatte sich zur Zeit der Republik und des Kaiserthu-
mes als die erste Frucht der intellectuellen Entwickelung ein allgemeiner Skep-
ticismus unter den Philosophen geltend gemacht, und die gebildeten Klassen
wurden rasch entweder offene Atheisten, wie die Epikuräer, oder reine Theis-
ten, wie die Stoiker und Platoniker.“ (Lecky 1879,1,146, vgl. 349-354 zur rituel-
len Strenge der Römer.) Das änderte indessen nichts an den Vorbehalten selbst
der tolerantesten Römer gegenüber dem Christentum: „Auch der skeptische
Staatsmann war nicht geneigter, eine Religion mit Nachsicht zu betrachten,
deren Entwickelung mit der ganzen Religionspolitik des Kaiserreiches offenbar
unverträglich erschien. Wie die neue Kirche damals organisirt war, muss sie
ihm wesentlich vom Grunde aus nothwendig unduldsam erschienen sein. Ihr
den Sieg zu gestatten, wäre soviel gewesen als die Vernichtung der Religions-
freiheit in einem Reiche zulassen, das alle Hauptvölker der Erde umfasste und
alle ihre Religionen duldete.“ (Lecky 1879, 1, 367, vgl. ebd., 215.) Auch in der
von N. studierten Kulturgeschichte von Friedrich von Hellwald wird immer wie-
der betont, wie „tolerant“ das Reich allen religiösen Bekenntnissen gegenüber
 
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