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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0360
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340 Jenseits von Gut und Böse

mens der Fremdculte“ die „Furcht und Angst, welche den gegen die bisherigen
Götter ungläubig gewordenen Heiden verfolgt“, namhaft machte (Burckhardt
1880, 151). Mit Burckhardt stellt auch JGB 49 die Furcht nicht an den Anfang,
sondern vielmehr ans Ende einer religionsgeschichtlichen Entwicklung: Sie ist
quasi deren hervorstechendes Dekadenz-Symptom.
50.
Eine erste Fassung dieses Abschnitts findet sich in KGW IX 2, N VII 2, 6, 1-21.
70, 26-28 Die Leidenschaft für Gott: es giebt bäurische, treuherzige und zu-
dringliche Arten, wie die Luther’s, — der ganze Protestantismus entbehrt der süd-
lichen delicatezza.] Vgl. NK 66, 19-22. Die Wendung „Leidenschaft für Gott“,
die bei N. ein Hapax legomenon ist, kommt beispielsweise auch bei Herder
vor, vgl. Bertino 2011, 250. Die italienische „delicatezza“ steht für „Feinheit“,
„Milde“.
70, 28-71, 2 Es giebt ein orientalisches Aussersichsein darin, wie bei einem un-
verdient begnadeten oder erhobenen Sklaven, zum Beispiel bei Augustin, der auf
eine beleidigende Weise aller Vornehmheit der Gebärden und Begierden erman-
gelt.] N. hat 1885, wie aus seinem Brief an Overbeck vom 31. 03.1885 hervor-
geht, die Confessiones des Aurelius Augustinus (354-430) mit Amüsement und
Widerwillen (wieder einmal) gelesen und ihn dabei der Verlogenheit geziehen:
Der Kirchenvater habe den Platonismus verpöbelt und ihn „zurecht gemacht
für Sklaven-Naturen“ (KSB 7/KGBIII/3, Nr. 589, S. 34, Z. 43-57, vgl. NK 12, 33 f.).
AC 59 führt die Augustin-Kritik, die eine Kritik an der tief eingewurzelten
christlichen Servilität ist, noch einmal breiter aus (vgl. NK KSA 6, 248, 31-249,
7). Zu Augustinus bei N. siehe auch Sommer 2013e.
71, 2-4 Es giebt frauenhafte Zärtlichkeit und Begehrlichkeit darin, welche
schamhaft und unwissend nach einer unio mystica et physica drängt: wie bei
Madame de Guyon.] Bei N. kommt die französische Quietistin und Mystikerin
Jeanne Marie Guyon du Chesnoy (1648-1717) nur hier sowie in M 192 vor, und
zwar dort eingereiht in einer Personaltypologie der radikalen katholischen
Frömmigkeit im frühneuzeitlichen Frankreich: „Da steht Frau von Guyon unter
ihres Gleichen, den französischen Quietisten: und Alles, was die Beredtsamkeit
und die Brunst des Apostels Paulus vom Zustande der erhabensten, liebend-
sten, stillsten, verzücktesten Halbgöttlichkeit des Christen zu errathen gesucht
hat, ist da Wahrheit geworden und hat dabei jene jüdische Zudringlichkeit,
welche Paulus gegen Gott hat, abgestreift, Dank einer ächten, frauenhaften,
feinen, vornehmen, altfranzösischen Naivität in Wort und Gebärde.“ (KSA 3,
 
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