Stellenkommentar JGB 56, KSA 5, S. 74 3 59
sehnt sich danach, dass die Welt als heillose und schlechteste aller möglichen
Welten baldmöglichst ins Nichts versinkt (vgl. Schopenhauer 1873-1874, 3,
669: „Sogar aber läßt sich den handgreiflich sophistischen Beweisen Leib-
nitzens, daß diese Welt die beste unter den möglichen sei, ernstlich und
ehrlich der Beweis entgegenstellen, daß sie die schlechteste unter den
möglichen sei. Denn Möglich heißt nicht was Einer etwan sich vorphantasiren
mag, sondern was wirklich existiren und bestehn kann. Nun ist diese Welt so
eingerichtet, wie sie seyn mußte, um mit genauer Noth bestehn zu können:
wäre sie aber noch ein wenig schlechter, so könnte sie schon nicht mehr beste-
hen“). Dagegen wünsche der als „Ideal“ vorgestellte Mensch äußerster Beja-
hung die unablässige Wiederholung des Weltkreislaufs, als ob diese Welt ganz
nach dem Schema von Leibniz’ Optimismus, aber ohne dessen theologische
Hypotheken die beste aller möglichen Welten wäre. Noch vor der Offenbarung
dieses Ideals steht eine zweifache Modifikation des Pessimismus an, der ers-
tens ,,erlös[t]“ werden soll von der sowohl christlichen als auch deutschen Be-
fangenheit, in die er bei Schopenhauer geraten war, und zweitens von seiner
moralischen Befangenheit, für die neben Schopenhauer auch Buddha steht
(zum Buddhismus in JGB 56 und zu den Bezügen auf Oldenberg 1881 siehe
Mistry 1981, 139-143; ferner Wenning 2013, 134). Ausbuchstabiert heißt das
wohl, dass der Pessimismus bei Schopenhauer mit dessen praktischer Präfe-
renz für Heilige und Asketen christliche Vorurteile und, mit der Anpassung ans
gesellschaftlich Gegebene, deutsche Vorurteile bedient hat, während sich in
der sowohl schopenhauerischen wie buddhistischen Empfehlung, den Willen
zu verneinen, um dem Leiden zu entgehen, sowie in dem unbedingten Vorrang
des Mitleids die Vorurteile der Moral reproduzieren. Diejenigen, die hier den
Pessimismus zu Ende denken, entbinden ihn von Christentum, Deutschtum
und Moral und - wie in JGB 55 bewegt sich der Sprechende immer noch im
Modus der Geschichtsprophetie - machen damit den Pessimismus für ein dia-
lektisches Umschlagen der äußersten Verneinung in die äußerste Bejahung
reif. Die herkömmliche Moral war von der Vorstellung bestimmt, das Leiden
müsse bekämpft und überwunden, ja um dieser Überwindung willen sogar das
Leben negiert werden. Die äußerste Affirmation nimmt das Leiden demgegen-
über nicht nur in Kauf, sondern befürwortet sogar seine Verewigung. Damit
stellt sich der Sprechende tatsächlich „jenseits von Gut und Böse“ (74, 30).
Die Pointe von JGB 56 besteht also nicht in der Verkündigung irgendeiner
kosmologischen Lehre von der Ewigen Wiederkunft, sondern darin, dass eine
konsequente Position „jenseits von Gut und Böse“ Zustimmung verlangt nicht
nur zur Welt in ihrem Hier und Jetzt sowie in ihrer Vergangenheit und Zukunft,
vielmehr auch zu einer allenfalls ewigen Wiederholung des Weltgeschehens.
Der Gedanke der Ewigen Wiederkunft liegt hier also - wenn man ihn über-
sehnt sich danach, dass die Welt als heillose und schlechteste aller möglichen
Welten baldmöglichst ins Nichts versinkt (vgl. Schopenhauer 1873-1874, 3,
669: „Sogar aber läßt sich den handgreiflich sophistischen Beweisen Leib-
nitzens, daß diese Welt die beste unter den möglichen sei, ernstlich und
ehrlich der Beweis entgegenstellen, daß sie die schlechteste unter den
möglichen sei. Denn Möglich heißt nicht was Einer etwan sich vorphantasiren
mag, sondern was wirklich existiren und bestehn kann. Nun ist diese Welt so
eingerichtet, wie sie seyn mußte, um mit genauer Noth bestehn zu können:
wäre sie aber noch ein wenig schlechter, so könnte sie schon nicht mehr beste-
hen“). Dagegen wünsche der als „Ideal“ vorgestellte Mensch äußerster Beja-
hung die unablässige Wiederholung des Weltkreislaufs, als ob diese Welt ganz
nach dem Schema von Leibniz’ Optimismus, aber ohne dessen theologische
Hypotheken die beste aller möglichen Welten wäre. Noch vor der Offenbarung
dieses Ideals steht eine zweifache Modifikation des Pessimismus an, der ers-
tens ,,erlös[t]“ werden soll von der sowohl christlichen als auch deutschen Be-
fangenheit, in die er bei Schopenhauer geraten war, und zweitens von seiner
moralischen Befangenheit, für die neben Schopenhauer auch Buddha steht
(zum Buddhismus in JGB 56 und zu den Bezügen auf Oldenberg 1881 siehe
Mistry 1981, 139-143; ferner Wenning 2013, 134). Ausbuchstabiert heißt das
wohl, dass der Pessimismus bei Schopenhauer mit dessen praktischer Präfe-
renz für Heilige und Asketen christliche Vorurteile und, mit der Anpassung ans
gesellschaftlich Gegebene, deutsche Vorurteile bedient hat, während sich in
der sowohl schopenhauerischen wie buddhistischen Empfehlung, den Willen
zu verneinen, um dem Leiden zu entgehen, sowie in dem unbedingten Vorrang
des Mitleids die Vorurteile der Moral reproduzieren. Diejenigen, die hier den
Pessimismus zu Ende denken, entbinden ihn von Christentum, Deutschtum
und Moral und - wie in JGB 55 bewegt sich der Sprechende immer noch im
Modus der Geschichtsprophetie - machen damit den Pessimismus für ein dia-
lektisches Umschlagen der äußersten Verneinung in die äußerste Bejahung
reif. Die herkömmliche Moral war von der Vorstellung bestimmt, das Leiden
müsse bekämpft und überwunden, ja um dieser Überwindung willen sogar das
Leben negiert werden. Die äußerste Affirmation nimmt das Leiden demgegen-
über nicht nur in Kauf, sondern befürwortet sogar seine Verewigung. Damit
stellt sich der Sprechende tatsächlich „jenseits von Gut und Böse“ (74, 30).
Die Pointe von JGB 56 besteht also nicht in der Verkündigung irgendeiner
kosmologischen Lehre von der Ewigen Wiederkunft, sondern darin, dass eine
konsequente Position „jenseits von Gut und Böse“ Zustimmung verlangt nicht
nur zur Welt in ihrem Hier und Jetzt sowie in ihrer Vergangenheit und Zukunft,
vielmehr auch zu einer allenfalls ewigen Wiederholung des Weltgeschehens.
Der Gedanke der Ewigen Wiederkunft liegt hier also - wenn man ihn über-