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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0478
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458 Jenseits von Gut und Böse

eine Erbtugend, eine angeborne Güte, Rechtlichkeit und besonders eine
Neigung zur Ehrfurcht zuzugestehen“).
150.
99,10-12 Um den Helden herum wird Alles zur Tragödie, um den Halbgott he-
rum Alles zum Satyrspiel; und um Gott herum wird Alles — wie? vielleicht zur
„Welt“? —] Die Fassung in NL 1882, KSA 10, 3[1]94, 64, 16 f. kommt noch ohne
Gott und Welt aus: „Um den Helden herum wird alles Tragödie; um den Halb-
gott herum — Alles Satyrspiel.“ Eine spätere Version in NL 1883, KSA 10,
12[1]192, 399, 15 f. weicht erheblich von der schließlich gedruckten Form ab,
indem sie den Bezug des Helden zum Tragischen kassiert: „Um den Halbgott
herum wird auch noch der Held ein Ding zum Lachen.“
Dass es in Tragödien um Helden geht, gehört zu den kulturellen Konventi-
onen des Abendlandes - dass ,,[u]m den Helden herum [...] Alles zur Tragödie“
werde, ist zwar keineswegs eine notwendige, aber doch immerhin eine mögli-
che Folgerung daraus. Zur Institution des Satyrspiels hat sich N. in NL 1869,
KSA 7, l[109], 42, 30-43, 11 notiert: „In der Blüthezeit Brauch, daß an den gro-
ßen Dionysien (am Hauptfeste der dramatischen Aufführungen) von jedem
Tragiker vier Dramen zur Aufführung kamen, drei Tragödien, ein Satyrdrama
[...]. Das Satyrdrama Forderung des dionysischen Kultes.“ Es ist bislang unbe-
merkt geblieben, dass es sich bei dieser Aufzeichnung um ein weitgehend
wörtliches Exzerpt aus Rudolf Westphals Prolegomena zu Aeschylus Tragödien
handelt („In der Blüthezeit des attischen Dramas war es ein gewiss nur aus-
nahmsweise nicht befolgter Brauch, dass wenigstens an dem Hauptfeste, an
welchem alljährlich dramatische Aufführungen gegeben wurden, an den gros-
sen Dionysien, von jedem der drei zum Agon zugelassenen tragischen Dichter
je vier Dramen zur Aufführung kamen, — die drei ersten derselben Tragödien,
das vierte gewöhnlich ein Satyrdrama“. Westphal 1869, 1. „Dass Aeschylus auf
die ernste Darstellung das oft possenhafte Satyrdrama folgen lässt, dazu ist
er sicherlich durch die Forderung des dionysischen Cultus, dem sein Drama
entstammt, veranlasst worden“, ebd., 5. Zu N.s früher Sicht auf das Satyrspiel
siehe auch seinen Brief an Erwin Rohde vom 16. 07.1872, KSB 4/KGB II/3,
Nr. 239, S. 23 f., Z. 41-60, ferner zum Kontext auch Klein 1865, 2, 322 f.; Wagner
verstand übrigens seine Meistersinger explizit als „Satyrspiel“ zum tragischen
Tannhäuser - Wagner 1907, 4, 284).
In den Satyrspielen übernehmen die zum Gefolge des Dionysos gehören-
den Satyrn, namentlich Silenos, die kommentierende, aber auch agierende Rol-
le des Chors. Ob man diese dämonischen, halbmenschlich-halbtierischen We-
sen als Halbgötter ansprechen soll - immerhin galt Silenos auch als Sohn des
 
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