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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0480
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460 Jenseits von Gut und Böse

Schlüsselstelle zum Verständnis von N.s Denken auszuweisen suchte, überbie-
ten sich manche Interpreten mit tiefsinnigen Interpretationen, die bislang frei-
lich kaum aufschlussreicher wirken als Heideggers eigene, eher ausweichende
Einlassung: „Wir sind noch nicht reif für die Strenge eines Gedankens von der
Art des folgenden, den Nietzsche um die Zeit seines Denkens für das geplante
Hauptwerk ,Der Wille zur Macht4 aufzeichnete: / ,Um den Helden herum wird
alles zur Tragödie, um den Halbgott herum Alles zum Satyrspiel; und um Gott
herum wird Alles - wie? vielleicht zur >Welt< -‘ (Jenseits von Gut und Böse, A.
150 [1886]). / Doch ist es an der Zeit, einsehen zu lernen, daß Nietzsches Den-
ken, obzwar es historisch und auf den Titel gesehen eine andere Gebärde zei-
gen muß, nicht weniger sachhaft und streng ist als das Denken des Aristoteles“
(Heidegger 1994, 249). Wie immer es bestellt sein mag um Heideggers Bestre-
ben nachzuweisen, dass N. ein strenger metaphysischer Denker sei - der Erhel-
lung von JGB 150 dient das Zitierte nicht.
Bezieht man entgegen der vorherrschenden Interpretationstendenz die bei-
den Vorarbeiten ein und lässt den metaphysikgeschichtlichen Tiefsinn auf sich
beruhen, so spielte N. zunächst mit dem Gegensatz von Held und Halbgott.
Darin klingt die berühmte Eingangspassage von Thomas Carlyles History of
Friedrich the Second, Called Frederick the Great an: „Friedrich is by no means
one of the perfect demigods, and there are various things to be said against
him with good ground. /13/ To the last a questionable hero, with much in him
which one could have wished not there, and much wanting which one could
have wished not there, and much wanting which one could have wished. But
there is one feature which strikes you at an early period of the inquiry. That in
his way he is a Reality“ (Carlyle 1858, 1, 12 f.) Während der von N. unablässig
kritisierte Carlyle (vgl. auch Overbeck 1999, 7/2, 45) bekanntlich einen explizi-
ten Heldenkult zu etablieren trachtete (Carlyle 1841, vgl. NK KSA 6, 119, 10-
29; NK KSA 6, 236, 21-24 u. NK KSA 6, 300, 26-28) und das Tragische für ein
unabweisbares Ingredienz heldischen Daseins hielt, distanziert sich N. mit sei-
ner spielerischen Parteinahme für den Halbgott vom angestrengt Tragischen
dieses heldischen Daseins: Die Wirklichkeit des Helden ist, als Tragödie, eine
einseitige, eine verkümmerte - und aus halbgöttlicher Perspektive auch immer
ein wenig lächerlich, weil sie das Leiden überbewertet. In der Druckfassung
von JGB 150 behält das halbgöttliche Satyrspiel jedoch nicht das letzte Wort,
denn auch diese Wirklichkeit bleibt, da sie das Leiden nicht kennt oder als
nichtig verleugnet, defizitär. Gott schließlich, ironisch mit der jüdisch-christli-
chen Idee der Weltschöpfung assoziiert, steht für eine ungeschmälerte, unge-
schönte Wirklichkeit, die weder das Leiden noch das Lachen überbetont. Man
müsste also nicht nur Held oder Halbgott, sondern, was N. Anfang 1889 versu-
chen sollte, Gott selbst werden, um hinter all den angeblich „wahren“ und
 
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