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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0506
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486 Jenseits von Gut und Böse

sagt Spinoza, ,ist das Wesen des Menschen selbst, nämlich das Streben, kraft
dessen der Mensch in seinem Sein beharren will/ ,Da die Vernunft nichts Na-
turwidriges fordert, so fordert sie nothwendig, daß jeder sich selbst liebt, sei-
nen wahren Nutzen sucht, Alles, das ihn in Wahrheit zu größerer Vollkommen-
heit führt, begehrt und über-/484/haupt, so viel er vermag, sein Dasein zu er-
halten strebt.“ (Fischer 1865, 2, 483 f.) Die Begierde muss sich also, wie JGB 175
pointiert, selbst begehren, damit überhaupt Leben ist, da in der Begierde qua
Machtwillen die Essenz der menschlichen Natur liegt.
JGB 175 hat sich Thomas Mann 1894/95 in einem Notizbuch exzerpiert
(Mann 1991, 34).

176.
103, 8 f. Die Eitelkeit Andrer geht uns nur dann wider den Geschmack, wenn sie
wider unsre Eitelkeit geht.] In Heft Z 11 steht die erste Fassung von JGB 176 der
ersten Fassung von JGB 175 unmittelbar voran und lautet: „Die Eitelkeit Ande-
rer geht uns dann wider unseren Geschmack, wenn sie wider unsere Eitelkeit
geht.“ (NL 1882, KSA 10, 3[l]104, 66, lf.). Es handelt sich um die Umformulie-
rung einer Maxime (Nr. 389), die N. bei La Rochefoucauld lesen konnte: „Ce
qui nous rend la vanite des autres insupportable, c’est qu’elle blesse la nötre.“
(La Rochefoucauld o. J., 78) In der von N. benutzten und mit zahlreichen Lese-
spuren versehenen, von Friedrich Schulz besorgten deutschen Version der Re-
flexions ou Sentences et maximes morales, die sich allerdings in N.s Bibliothek
nicht bis heute erhalten hat, lautet die Übersetzung: „Was uns die Eitelkeit
Anderer unerträglich macht, ist dies, dass sie unsre beleidigt.“ (La Rochefou-
cauld 1793, 147) Zum Verhältnis von Eitelkeit und Stolz siehe NK 93, 2f. „Eitel-
keit“ ist auch ein zentrales Thema bei Paul Ree, dem dieser u. a. in seiner Un-
tersuchung über den Ursprung der moralischen Empfindungen einen langen Ab-
schnitt mit dem Titel „Ursprung der Eitelkeit“ widmete (Ree 2004, 168-198,
vgl. schon 121-125). Ree nimmt darin Überlegungen La Rochefoucaulds und
Schopenhauers auf.

177.
103,11 f. Über Das, was „Wahrhaftigkeit“ ist, war vielleicht noch Niemand wahr-
haftig genug.] Im publizierten Nachlass gibt es keine direkten Vorstufen zu
JGB 177. Die „geheimen Lügner“, die „nicht wahrhaftig genug“ sind, um so zu
handeln wie sie sich selbst vorreden, sind nach NK 1880, KSA 9, 5 [7], 182, 12-
22 „immer noch wahrhaftig genug“, um „Gewissensbisse“ zu empfinden. Mit
 
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