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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0510
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490 Jenseits von Gut und Böse

1852 gehaltenen Vortrag Die Selbstständigkeit der Deutschen Philosophie gegen-
über der Französischen populär gemacht, und zwar in der Absicht, Kulturerrun-
genschaften Frankreichs und deren Import nach Deutschland zu diskreditie-
ren: „Die Französische Literatur hat jene zahllosen Versteckspiele, jene Kunst
der halblauten Rede, jene perfide Manier zweideutiger Offenheit, jene Un-
schuld der Lüge, jene sophistische Redseligkeit erfunden, die wir Deutsche
endlich auch bei uns einheimisch gemacht haben.“ (Rosenkranz 1875, 2, 219)
Eine Lektüre dieses Textes lässt sich bei N. allerdings nicht belegen.

181.
104, 2 Es ist unmenschlich, da zu segnen, wo Einem geflucht wird.] Der Satz
steht bereits in NL 1882, KSA 10, 3[1]272, 85, 23 f., dort ergänzt um die ironische
Empfehlung: „Lieber doch ein wenig mitfluchen!“ Ursprünglich lautete der ers-
te Satz: „Es ist ''vielleicht'' christlich, aber nicht gerade rsehr'' menschlich, die
zu segnen, welche uns fluchen“ (KGW VII 4/1, 86). NL 1882/83, KSA 10, 3[1O3],
145, 19 f. übersetzt den Einwand gegen die christliche Doktrin in Zarathustra-
Diktion: „Und wenn euch geflucht wird, so gefällt es mir nicht, daß ihr dann
segnen wollt: besser ist es ein wenig mitzufluchen.“ Wiederholt wird diese Ma-
xime dann in Za I Vom Biss der Natter, KSA 4, 87, 24-88, 2. Die Kritik richtet
sich gegen Jesu Gebot der Feindesliebe, das in Matthäus 5, 44 explizit das Flu-
chen einbezieht: „Ich aber sage euch: Liebet eure Feinde; segnet, die euch
fluchen“ (Die Bibel: Neues Testament 1818, 8. Vgl. Lukas 6, 28: „Segnet die, so
euch verfluchen“. Die Bibel: Neues Testament 1818, 76). Auch gegenüber der
jesuanischen Maximalethik der Feindesliebe (vgl. zum Vergelten des Bösen mit
Gutem NK 100, 18 f.), die ja als eine Praxis universeller Bejahung jenseits ge-
wohnter moralischer Unterscheidung, jenseits von Gut und Böse, verstanden
werden könnte, muss JGB auf Abgrenzung beharren, um seinen intellektuellen
und moralkritischen Exklusivitätsanspruch zu verteidigen. Vgl. NK ÜK JGB 216
u. NK 152, 18-20.

182.
104, 4 f. Die Vertraulichkeit des Überlegenen erbittert, weil sie nicht zurückgege-
ben werden darf. —] NL 1882, KSA 10, 3[1]339, 94, 19-22 erläutert noch einge-
hender: „Die Vertraulichkeit des Überlegenen erbittert, weil sie nicht zurückge-
geben werden darf. Dagegen ist Höflichkeit ihm anzurathen, d. h. der beständi-
ge Anschein, als ob er etwas zu ehren habe.“ Zum zweiten Satz verzeichnet
KGW VII 4/1, 94 folgende drei Varianten: „(1) Vielmehr soll er mehr als Jeder
 
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