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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0511
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Stellenkommentar JGB 184, KSA 5, S. 104 491

Andere Höflichkeit haben (2) Aber Höflichkeit ist ihm anzurathen (3) Dagegen
ist Höflichkeit ihm anzurathen“.
Vertraulichkeit ist ein Thema in der moralistischen Aphoristik und noch in
den Psychologischen Beobachtungen von N.s Freund Paul Ree: „Durch Vertrau-
lichkeit bezweckt man weder die Einholung von Rathschlägen, noch die Er-
leichterung von Sorgen: Man will von einander entzückt sein.“ (Ree 1875, 24 =
Ree 2004, 68) Die französischen Klassiker des Genres strichen dabei auch die
soziale Sprengkraft der Vertraulichkeit heraus: „La familiarite et l’amitie font
beaucoup d’ingrats.“ (Vauvenargues 1823, 326. „Die Vertraulichkeit und die
Freundschaft bringen viele Undankbare hervor.“ In den erhaltenen Vauvenar-
gues-Ausgaben aus N.s Bibliothek scheint diese Sentenz zu fehlen. Zu N. und
Vauvenargues allgemein siehe Broisson 2009.) Bei Rivarol liest sich dieser Ge-
danke wie folgt: „C’est de la familiarite que naissent les plus tendres amities
et les plus fortes haines.“ (Rivarol 1836, 53. „Aus der Vertraulichkeit wachsen
sowohl die zärtlichsten Freundschaften als auch die stärksten Hasse.“)

183.
104, 7 f. „Nicht dass du mich belogst, sondern dass ich dir nicht mehr glaube,
hat mich erschüttert.“ —] Ohne Zitat-Anführungszeichen und mit einem „glaub-
te“ (statt „glaube“) ist die Beobachtung in NL 1882, KSA 10, 3[1]347, 95, 16 f.
notiert und wurde dort von N. durchgestrichen. Ursprünglich hieß es: „Nicht
dass du mich belogst, sondern dass du lügst, trennt uns.“ (KGW VII 4/1, 95).
Die Fassung NL 1882, KSA 10, 3[1]347, 95, 16 f. wird wiederholt in NL 1882/83,
KSA 10, 5[33], 228, 3f. Die Version in NL 1882/83, KSA 5[35], 229, 17f. geht
hingegen auf die ursprüngliche, in KGW VII4/1, 95 mitgeteilte Fassung zurück,
indem sie auf die Differenz von „lügen“ und „belügen“ setzt: „Wenn ich merke
daß Jemand mich belügt, so jammerte mich nicht, daß er mich belügt, sondern
daß er lügt.“ NL 1883, KSA 10, 12[1]142, 395, 11 f. entspricht schließlich wort-
wörtlich JGB 183.

184.
104,10 f. Es giebt einen Übermuth der Güte, welcher sich wie Bosheit ausnimmt.]
Die von N. schließlich durchgestrichene Vorstufe in NL 1882, KSA 10, 3[1]395,
101,12-14 ist verbunden mit der späteren Sentenz JGB 111, siehe NK 93, 2f. Eine
weitere Fassung des Gedankens von JGB 184 stellt NL 1882/83, KSA 10, 5[1]127,
201, 16 f. dar: „Goldne Zeit, da man den Übermuth für die Quelle des Bösen
hielt!“ Für die Druckfassung griff N. aber auf die ursprüngliche Version zurück.
 
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