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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0540
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520 Jenseits von Gut und Böse

113,18 f. Etwas Neues hören ist dem Ohre peinlich und schwierig; fremde Musik
hören wir schlecht.] Vgl. z. B. Baumann 1879, 254: „Dem Neger, dem Chinesen
gefällt seine Musik, die uns martert.“
113, 19-23 Unwillkürlich versuchen wir, beim Hören einer andren Sprache, die
gehörten Laute in Worte einzuformen, welche uns vertrauter und heimischer klin-
gen: so machte sich zum Beispiel der Deutsche ehemals aus dem gehörten arcu-
balista das Wort Armbrust zurecht.] Die hier beispielhaft angeführte Volksety-
mologie war in der einschlägigen sprachwissenschaftlichen Literatur der Zeit
recht verbreitet (auch wenn Max Wilhelm Götzinger in seiner unter N.s Bü-
chern erhaltenen Monographie Die deutsche Sprache und ihre Literatur „Arm-
brust“ aus „Arcubustum“ herleitete - Götzinger 1836, 1, 594). N. konnte ihr
beispielsweise im Vortrag Die fremden Wörter in der deutschen Sprache von
Adolf Tobler begegnet sein, der in seiner Bibliothek überliefert ist: „Beispiele
von Umdeutschung fremder Wörter in ähnlicher Art sind nun: [...] Armbrust,
ebenfalls ziemlich sinnlos, aus lat. arcubalista (Bogenwurfmaschine), alt-franz.
arbaleste, alt-deutsch armbrest.“ (Tobler 1872, 15).
193.
114,18-21 Quidquid luce fuit, tenebris agit: aber auch umgekehrt. Was wir im
Traume erleben, vorausgesetzt, dass wir es oftmals erleben, gehört zuletzt so gut
zum Gesammt-Haushalt unsrer Seele, wie irgend etwas „wirklich“ Erlebtes] Der
lateinische Spruch - übersetzt: „Was immer im Licht geschehen ist, wirkt auch
im Dunkeln“ - stammt aus dem Satyricon von Petron und wird in modernen
Ausgaben als Fragment 30, 5 überliefert (bereits Pierre Bayle und Voltaire zitie-
ren ihn gern). Petrons Werk rühmte N. in seinen letzten Schaffens]ahren (vgl.
z. B. NK 46, 10-20); in der lateinisch-französischen Parallelausgabe, die unter
seinen Büchern erhalten ist, wird die Gedichtzeile in Caput CIV überliefert (Pe-
tronius o. J., 163, vgl. den Nachweis bei Morillas 2012, 363). Freilich kann N. auf
den Vers auch in Abhandlungen zum Verhältnis von Traum und Wirklichkeit
gestoßen sein, beispielsweise in einem Aufsatz der laut N. „ausgezeichne-
ten“ Revue philosophique de la France et de l’etranger (an Paul Ree, Anfang
August 1877, KSB 5/KGB II/5, Nr. 643, S. 266, Z. 21), nämlich Francisque Bouil-
liers De la responsabilite morale dans le reve. Dort wird die fragliche Petron-
Passage paraphrasiert, im Original zitiert und mit der Bemerkung glossiert: „Le
champ du reve est toujours proportionnel ä celui de la veille.“ (Bouillier 1883,
121. „Das Feld des Traumes ist immer proportional zu demjenigen des Wach-
seins.“) Den Halbsatz „Was wir im Traume erleben“ notierte N. auch in NL
1885, KSA 11, 42[3], 692, 25. Vgl. zu seiner Beschäftigung mit dem Traum NK
97, 11-13, zu den Parallelen bei Sigmund Freud z. B. Gasser 1997, 262.
 
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