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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0542
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522 Jenseits von Gut und Böse

testens von M an eine beachtliche Rolle: Dieses Werk endet mit dem Ausblick
auf die „Luft-Schifffahrer des Geistes“ (M 575, KSA 3, 331, 5-31), wäh-
rend JGB 41 die Gefahren des Fliegens in Rechnung stellt (KSA 5, 59, 10-16),
und Zarathustra den Himmel anruft, in den er hineinfliegen will (Za III Vor
Sonnen-Aufgang, KSA 4, 208, 6-8). Dass „das Schweben und Fliegen“ zu den
,,angenehme[n] Empfindung [en]“ gehört, die es schwierig machten, „das
höchste Gut zu bestimmen“, reflektiert NL 1880, KSA 9, 7[37], 325, 16-18. Eine
ausgewachsene Traumphantasie vom Fliegen, einschließlich eines Seiten-
blicks auf dionysische Levitationszustände, entwirft NL 1881, KSA 9, 15[60],
655, 14-32.

194.
Zu JGB 194 teilt KSA 14, 359 folgende Vorarbeit aus M III 1 vom Herbst 1881
mit: „Die Differenz der Menschen bezieht sich auf die erstrebenswerthen Güter
und auf das, was ihnen als wirkliches Haben gilt. Zb. in Betreff eines Weibes
ist diesem schon der Geschlechtsgenuß mit ihr das ,Haben4; ein andrer will so
geliebt sein, daß sie für ihn alles läßt (so wird sie ,gehabt4 ex£TOO> ein dritter
will, daß sie aber nicht für ein Phantom von ihm alles läßt, sondern daß die
Voraussetzung ihrer Liebe zu ihm ein volles Kennen ist - erst dann ist sie
ganz in seinem Besitz, wenn sie sich über ihn nicht betrügt und trotzdem ihm
zugehört. Dies sind drei Grade. - Jener will ein Volk besitzen und alle Mittel
des Trugs sind ihm recht. Ein Fernerer will dies auch, aber er will nicht, daß
ein Phantom von ihm im Kopf der Masse sitzt - das ist nicht ,er selber4, sein
Besitzdurst ist feiner, er will nicht betrügen, er selber will ja besitzen: so muß
er sich vor allem selber kennen rund kennen lassen-1. - So lange ich mich über
etwas täusche, so lange besitze ich es nicht - sagt sich der Denker: und der
Redliche sagt: ich kann mich nicht eher selber beherrschen, bis ich weiß, was
ich bin. - Einer Regung für Andere nachgeben bekommt seinen Werth, je nach-
dem ich den Andern wirklich erkenne oder mir nur mit einem Schattenbild
genügen lasse. Die hülfreichen Manschen} machen sich den, welchem sie hel-
fen wollen, gewöhnlich zurecht (als tief nach ihrer Hülfe verlangend, tief dank-
bar, unterwürfig, als Eigenthum) Wo der M(ensch} jemand leiden sieht, da
sucht er sofort sich ein Eigenthum zu erwerben (er ist eifersüchtig auf
den, der ihm beim Helfen zuvorkommt oder kreuzt) - die Eltern machen un-
willkürlich aus dem Kinde etwas ihnen Ähnliches, ihren Begriffen und Werth-
schätzungen Unterworfenes, sie zweifeln nicht, ein Eigenthum zu haben (Rö-
mer - die Kinder Sklaven) Der Lehrer, der Priester, der Fürst sehen in den
Manschen} Gelegenheit zum Besitz.“
 
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