Stellenkommentar JGB 197, KSA 5, S. 117 531
seins auf entsprechende Klimazonen zurückzuführen, ist ein in der Kulturge-
schichtsschreibung schon lange vor N. praktiziertes Verfahren, das beispiels-
weise MA I 236, KSA 2, 197 reaktivierte, auch schon dort mit hörbaren
Vorbehalten gegenüber der „gemässigten Zone der Cultur“ (KSA 2, 198, 30).
Das Leben unter den Klimabedingungen der Tropen war ein gängiges The-
ma in der damaligen geographischen und anthropologischen Literatur. Stark
bemerkbar machte sich darin die Tendenz, den lähmenden Effekt tropischer
Witterungsverhältnisse auf kulturelle Entwicklungen zu beklagen. So stellte
Friedrich Ratzel in seiner Anthropo-Geographie heraus, wie erschlaffend die
Tropen auf ihre Bewohner wirken (Ratzel 1882, 308 f.), obwohl er zugleich die
Akklimatisationsfähigkeit europäischer Kolonisatoren rühmte (ebd., 304-307).
Ebenso wie Ratzels Anthropo-Geographie besaß N. auch Friedrich von Hell-
walds Die Erde und ihre Völker, in dem Afrika „als der vollendetste Repräsen-
tant der Tropenwelt“ gilt: „Unentwickelt wie die topographische Gliederung
des Continentes ist auch die afrikanische Menschheit.“ (Hellwald 1877b-1878,
1, 455) Entsprechend soll es um die Moral des tropischen Schwarzafrikaners
bestellt sein: „Er greift zur Waffe, wenn der allwahre Grundsatz, daß Stärke
das beste Recht ist, zu seinem Gunsten spricht. [...] Gleichwohl entbehrt dieses
Treiben der afrikanischen Menschheit für uns fast jeglichen Interesses, denn
es erhebt sich auf der Basis einer äußerst niedrigen Gesittung, die es in den
Künsten des Lebens nur zu schwächlichen Leistungen gebracht hat“ (ebd., 1,
456) - sehr im Unterschied zu dem, was Hellwald in seiner Culturgeschichte
über die italienischen Renaissance-Menschen berichtet.
Während diese anthropologisch-geographischen Standardwerke die Tro-
pen für eine Klimazone halten, die ernstzunehmender kultureller Aktivität
weitgehend hinderlich ist, weil sie die Anspannung ermatten lässt, malte N.
hingegen ähnlich wie Bates 1866 (vgl. NK 207, 3-8) die Tropen als eine Welt
aus, die raubtierhaften, immoralistischen, exzessfreudigen Menschen ganz ad-
äquat ist, ohne dass seine Beispielfigur Cesare Borgia tatsächlich in den geo-
graphischen Tropen gelebt hätte. Ein solcher tropischer Assoziationshorizont
wurde aber durchaus auch in der zeitgenössischen Diskussion erschlossen. So
berichtet die von Charles Richet herausgegebene Revue scientifique vom Vor-
trag eines „docteur Kirchoff, de Halle“ - gemeint ist der Geograph Alfred Kirch-
hoff (1838-1907) - über den Darwinismus und die Entwicklung der menschli-
chen Rassen, gehalten 1884 an der Versammlung deutscher Naturforscher und
Ärzte in Magdeburg: „D’apres l’auteur, le developpement physique des peuples
depend entierement des conditions de milieu. / [...] L’adaptation au milieu
n’est pas une question d’harmonie providentielle. C’est un fait de selection na-
turelle; l’evolution du negre, ce type parfait de l’homme tropical est lä pour le
prouver. Les exigences de la vie entrainent chez un peuple des particularites
seins auf entsprechende Klimazonen zurückzuführen, ist ein in der Kulturge-
schichtsschreibung schon lange vor N. praktiziertes Verfahren, das beispiels-
weise MA I 236, KSA 2, 197 reaktivierte, auch schon dort mit hörbaren
Vorbehalten gegenüber der „gemässigten Zone der Cultur“ (KSA 2, 198, 30).
Das Leben unter den Klimabedingungen der Tropen war ein gängiges The-
ma in der damaligen geographischen und anthropologischen Literatur. Stark
bemerkbar machte sich darin die Tendenz, den lähmenden Effekt tropischer
Witterungsverhältnisse auf kulturelle Entwicklungen zu beklagen. So stellte
Friedrich Ratzel in seiner Anthropo-Geographie heraus, wie erschlaffend die
Tropen auf ihre Bewohner wirken (Ratzel 1882, 308 f.), obwohl er zugleich die
Akklimatisationsfähigkeit europäischer Kolonisatoren rühmte (ebd., 304-307).
Ebenso wie Ratzels Anthropo-Geographie besaß N. auch Friedrich von Hell-
walds Die Erde und ihre Völker, in dem Afrika „als der vollendetste Repräsen-
tant der Tropenwelt“ gilt: „Unentwickelt wie die topographische Gliederung
des Continentes ist auch die afrikanische Menschheit.“ (Hellwald 1877b-1878,
1, 455) Entsprechend soll es um die Moral des tropischen Schwarzafrikaners
bestellt sein: „Er greift zur Waffe, wenn der allwahre Grundsatz, daß Stärke
das beste Recht ist, zu seinem Gunsten spricht. [...] Gleichwohl entbehrt dieses
Treiben der afrikanischen Menschheit für uns fast jeglichen Interesses, denn
es erhebt sich auf der Basis einer äußerst niedrigen Gesittung, die es in den
Künsten des Lebens nur zu schwächlichen Leistungen gebracht hat“ (ebd., 1,
456) - sehr im Unterschied zu dem, was Hellwald in seiner Culturgeschichte
über die italienischen Renaissance-Menschen berichtet.
Während diese anthropologisch-geographischen Standardwerke die Tro-
pen für eine Klimazone halten, die ernstzunehmender kultureller Aktivität
weitgehend hinderlich ist, weil sie die Anspannung ermatten lässt, malte N.
hingegen ähnlich wie Bates 1866 (vgl. NK 207, 3-8) die Tropen als eine Welt
aus, die raubtierhaften, immoralistischen, exzessfreudigen Menschen ganz ad-
äquat ist, ohne dass seine Beispielfigur Cesare Borgia tatsächlich in den geo-
graphischen Tropen gelebt hätte. Ein solcher tropischer Assoziationshorizont
wurde aber durchaus auch in der zeitgenössischen Diskussion erschlossen. So
berichtet die von Charles Richet herausgegebene Revue scientifique vom Vor-
trag eines „docteur Kirchoff, de Halle“ - gemeint ist der Geograph Alfred Kirch-
hoff (1838-1907) - über den Darwinismus und die Entwicklung der menschli-
chen Rassen, gehalten 1884 an der Versammlung deutscher Naturforscher und
Ärzte in Magdeburg: „D’apres l’auteur, le developpement physique des peuples
depend entierement des conditions de milieu. / [...] L’adaptation au milieu
n’est pas une question d’harmonie providentielle. C’est un fait de selection na-
turelle; l’evolution du negre, ce type parfait de l’homme tropical est lä pour le
prouver. Les exigences de la vie entrainent chez un peuple des particularites