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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0552
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532 Jenseits von Gut und Böse

organiques speciales. Les peuples pasteurs, les tribus de chasseurs, ont l’odo-
rat, la vue et 1’ouie extremement developpes. Ils peuvent supporter la faim, la
soif et autres privations ä un degre qui nous semble etonnant. La selection
sexuelle joue son röle dans le caractere du corps, dans rhabillement et jusque
dans le caractere du peuple; l’homme sauvage est courageux et cruel; au con-
traire, chez l’homme civilise on trouve l’economie et les vertus domestiques.
Mais, en dehors de ces considerations, le principe de la selection domine enco-
re dans les caracteres moraux d’un peuple. A l’habitant des regions glacees du
pole, il faut un caractere flegmatique qui lui permette de supporter la triste vie
d’un hiver perpetuel.“ (Revue scientifique, Troisieme Serie, tome VIII, 21me an-
nee, 2e semestre, Juillet 1884 ä Janvier 1885, 568. „Nach dem Autor hängt die
körperliche Entwicklung der Völker völlig von den Milieubedingungen ab. /
[...] Die Anpassung an das Milieu ist keine Frage providentieller Harmonie. Es
ist eine Tatsache der natürlichen Selektion; die Entwicklung des Negers, dieser
perfekte Typ des tropischen Menschen, ist da, um sie zu beweisen. Die Anfor-
derungen des Lebens trainieren bei einem Volk spezielle organische Besonder-
heiten. Die Hirtenvölker, die Jägerstämme haben äußerst entwickelte Geruchs-,
Sicht- und Gehörsinne. Sie können den Hunger ertragen, den Durst und andere
Entbehrungen in einem Grad, der uns erstaunlich scheint. Die sexuelle Selekti-
on spielt ihre Rolle bei der Beschaffenheit des Körpers, bei der Bekleidung bis
zum Charakter eines Volkes; der wilde Mensch ist mutig und grausam; beim
zivilisierten Menschen findet man hingegen die Ökonomie und die häuslichen
Tugenden. Aber außerhalb dieser Überlegungen herrscht das Prinzip der Selek-
tion noch in den moralischen Charakteren eines Volkes. Der Bewohner der ver-
eisten Polregionen braucht einen phlegmatischen Charakter, der es ihm er-
laubt, das traurige Leben eines dauernden Winters zu ertragen.“) In diesem
Tagungsbericht taucht nicht nur der von N. in Anführungszeichen gesetzte
„tropische Mensch“ explizit auf, sondern ihm werden auch die Eigenschaften
der Aktivität, der Wildheit, des Muts und der Grausamkeit zugeschrieben, die
N.s Text mit ihm verbindet. Als Gegensatz fungiert der „zivilisierte Mensch“
mit seinen häuslichen, haustierhaften Tugenden. Phlegmatisch seien nicht die
Bewohner tropischer, sondern diejenigen arktischer Regionen. Der Bericht aus
der Revue scientifique wurde vollständig und ausdrücklich zustimmend zitiert
von dem haitianischen Gelehrten und Politiker Antenor Firmin (1850-1910) in
seinem gegen Arthur de Gobineaus Essai sur l’inegalite des races humaines ge-
richteten Buch De l’egalite des races humaines (Firmin 1885, 402). Firmin, der
gegen den damals grassierenden Rassismus die prinzipielle Gleichheit unter-
schiedlicher Menschenrassen demonstrieren wollte, bekundete sein Einver-
ständnis mit Kirchhoffs Überlegungen, wonach die Erscheinungs- und Ent-
wicklungsformen des Menschen in den einzelnen Weltgegenden nicht an einer
 
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