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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0624
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604 Jenseits von Gut und Böse

eingangs lesen, dass „die sogenannte Frauenfrage“ „wohl des ,Schweisses
der Edlen4 werth“ sei (Bebel 1883, 1). Das hätte N. bestritten.
148, 14 f. dass Nothwendigkeit und „Freiheit des Willens“ dann bei ihnen Eins
sind] Während sich etwa JGB 21 gegenüber der Willensfreiheit als einem meta-
physischen Postulat ablehnend zeigt (vgl. NK 35, 10-20), behält JGB 19 den
Begriff durchaus bei, um damit einen Zustand höchster Affektivität und Lust-
empfindung mit einem traditionellen Ausdruck zu indizieren (vgl. NK 32, 22-
31 u. NK 32, 31-33, 32). N.s Freund Paul Ree hat in seinem Buch über den Ur-
sprung der moralischen Empfindungen die „Freiheit des Willens“ als metaphysi-
sche Fiktion zurückgewiesen und menschliches ebenso wie tierisches Tun von
der „Nothwendigkeit“, sprich: vom stärksten Faktor kausal bestimmt gesehen
(Ree 1877, 28-44 = Ree 2004, 143-144), während Kant bekanntlich trotz der
lückenlosen Determinierheit der Erscheinungswelt die „transzendentale Frei-
heit“ als „Vermögen, einen Zustand von selbst anzufangen“ (AAIII, 363), retten
wollte. Wie zu Beginn von JGB 213 (vgl. NK 147, 20-22 und 147, 23-27) wird in
148,14 f. mit der Evokation von Willensfreiheit und Notwendigkeit eine traditi-
onelle Unterscheidung aufgenommen und mit der Identifikation von Freiheit
und Notwendigkeit eine transzendentalphilosophische Synthesis parodiert,
denn das Zusammenkommen von „Nothwendigkeit“ und »„Freiheit des Wil-
lens4“ ist nur eine Empfindung in schöpferischen Augenblicken („dann“) von
„Künstler[n]44 (148, 9) und Philosophen - keine stabile intellektuelle Synthese
zweier einander scheinbar widersprechender Begriffe.
148,19-27 Was hilft es, wenn gelenkige Allerwelts-Köpfe oder ungelenke brave
Mechaniker und Empiriker sich, wie es heute so vielfach geschieht, mit ihrem
Plebejer-Ehrgeize in ihre Nähe und gleichsam an diesen „Hof der Höfe“ drängen!
Aber auf solche Teppiche dürfen grobe Füsse nimmermehr treten: dafür ist im
Urgesetz der Dinge schon gesorgt; die Thüren bleiben diesen Zudringlichen ge-
schlossen, mögen sie sich auch die Köpfe daran stossen und zerstossen!] KSA 14,
364 teilt aus W I 2 dazu eine frühere Fassung mit, die konkretisiert, wer hier
attackiert wird: „Es giebt eine Aristokratie der Probleme, welche viele Men-
schen von sich ausstößt. Das macht, diese Probleme stehen in Verbindung mit
hohen und außerordentlichen Zuständen, welche wenige Menschen haben. Es
ist ganz gleichgültig, wenn gelenke Allerwelts-Köpfe (wie Eduard von Hart-
mann) oder ungelenke brave Empiriker (wie Eugen Dühring) sich mit solchen
Problemen abgeben. Ihre Natur darf da nicht eintreten: die Thüren bleiben
verschlossen, oder - man lächelt.“ Zum „Urgesetz der Dinge“ vgl. NK 219, 30-
220, 3.
148, 23 „Hof der Höfe“] Im Mittelalter galt die Kurie, der päpstliche Hof, als
curia curiarum, als „Hof der Höfe“; während des 17. Jahrhunderts rückte der
 
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