Metadaten

Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0665
Lizenz: In Copyright
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Stellenkommentar JGB 229, KSA 5, S. 166 645

sehen getödtet hatte, der Gegenstand der höchsten Bewunderung wurde, und
dass das Volk so entzückt war, dass ein Gemälde von dieser Grossthat unmittel-
bar darauf für den öffentlichen Marktplatz angefertigt wurde (Concina, De
Spectaculis, p. 283). [...] Endlich hob Clemens VIII. im Jahre 1596 auf Vorstel-
lung des spanischen Königs und wegen der Unzufriedenheit des spanischen
Volkes alle Verbote (für Spanien) auf, und schärfte nur Vorsicht ein. Gegenwär-
tig werden die Stiergefechte gewöhnlich an Feiertagen abgehalten, und bilden
einen Theil der grössten religiösen Feste, besonders derer zu Ehren der Jung-
frau! [...] Es ist seltsam genug, dass vielleicht das blutigste aller Stiergefechte
1333 in dem Colosseum zu Rom stattfand, wo der römische Adel in die Arena
stieg und achtzehn Menschen getödtet wurden [...]. Michelet hat bemerkt, wäh-
rend das Stiergefecht lange in Rom, der Romagna und in Spoleto überaus
volksthümlich war, es trotz der langen Herrschaft der Spanier in Neapel nie-
mals Wurzel fasste.“ (Lecky 1873, 1, 236, Fn. 1. N.s Unterstreichungen. Die ers-
ten beiden Sätze hat N. mit „sehr gut“ glossiert, den letzten mehrfach am Rand
angestrichen.) Auf der folgenden Seite heißt es schließlich: „Die Geschichte
der Abschaffung der Tortur, die Geschichte der Strafen, die Geschichte der Be-
handlung der im Kriege Besiegten, die Geschichte der Sclaverei - alle bieten
uns Beispiele von Handlungsweisen, die zu einer Zeit als vollkommen recht
und natürlich galten, und die zu einer andern als offenbar und gräßlich un-
menschlich verworfen wurden“ (ebd., 237, von N. mit Randstrich und „NB“
markiert).
166, 21-24 Dabei muss man freilich die tölpelhafte Psychologie von Ehedem
davon jagen, welche von der Grausamkeit nur zu lehren wusste, dass sie beim
Anblicke fremden Leides entstünde] Als Beispiel für eine solche „tölpelhafte
Psychologie“ könnte etwa § 16 von Schopenhauers Preisschrift über die Grund-
lage der Moral dienen, wo als zweite „Grund-Triebfeder der menschlichen
Handlungen“ (Schopenhauer 1873-1874, 4/2, 209) die „Bosheit“ namhaft ge-
macht wird, „die das fremde Wehe will (geht bis zur äußersten Grausamkeit)“,
daneben aber als weitere „Grund-Triebfedern“ nur noch den am eigenen Wohl
interessierten Egoismus und das dagegen am fremden Wohl interessierte Mit-
leid in Geltung bleiben (ebd., 210). Dass jemand auch am eigenen Leid interes-
siert sein könnte, bleibt außerhalb der Reichweite von Schopenhauers Ansatz.
166, TJ f. Selbstverstümmelung, wie bei Phöniziern und Asketen] Vgl. NK 66, 28-
30.
166, 30 puritanischen Busskrampfe] Vgl. NK 80,12-24 u. NK KSA 6, 374,10-12.
Sarkastisch zugespitzt wird die Nebenbemerkung 166, 30 in NL 1885, KSA 11,
34[24], 428, 14-18 (entspricht KGW IX 1, N VII 1, 182, 13-19): „Ebenso ist viel-
leicht für das Vieh von Pöbel, welches ehemals im englischen Puritanismus
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften